In Wuppertals letzter Videothek

Martina Kram (44) hat den Aufstieg und den Fall des Filmverleihs erlebt. Mittlerweile kommen viele Kunden wegen der persönlichen Tipps.

Foto: Stefan Fries

Oberbarmen. Martina Kram (44) hat die ganze Entwicklung des Verleihgeschäfts mitgemacht. Seit Mitte der 90er Jahre ist sie das Gesicht von „Video King“ am Berliner Platz. Einst standen noch klobige VHS-Kassetten in den Regalen und die Filmhits waren lange vor der Fernsehausstrahlung nur hier zu haben. „Damals gab es grob 15 bis 20 Videotheken in Wuppertal“, überschlägt die Filialleiterin. Heute hat der „Video King“ als letzte Film-Oase im Stadtgebiet überlebt. Die Masse leiht bei digitalen Streamingdiensten aus — von der Couch aus. „Die Kunden, die zu uns kommen, wollen heute den persönlichen Kontakt und Empfehlungen“, sagt die Wuppertalerin. Noch nie habe sie so viele Tipps gegeben wie heutzutage. Nach wie vor ist das Horror-Genre in der Videothek beliebt. Da empfiehlt Kram aktuell oft den Schocker „Don’t breath“.

Viele Kunden sind inzwischen älter. „Die sind mit den neuen Medien nicht so verhaftet“, sagt Kram. Sie greifen noch gerne auf DVD und Blue-Ray zurück. Doch nicht nur Konkurrenten wie „Netflix“, „Maxdome“, „Sky“ und „Amazon Prime“ haben den Videotheken bei immer besseren Internetverbindungen über die Jahre das Leben schwergemacht, sondern wie die Fachfrau berichtet — zusätzlich noch die Herausgeber der Filme. „Früher haben wir DVDs sechs bis acht Wochen bevor sie in den Verkauf gingen bekommen, mittlerweile starten Verleih und Verkauf meist gleichzeitig“, berichtet Martina Kram.

Doch nicht nur das, einige Unternehmen würden den Verleih sogar noch später starten, während die neusten Blockbuster bereits bei den Streaming-Anbietern zum Abruf bereitstehen, so die Videotheken-Frau. „Das ist schon frustrierend, wenn das so bewusst gesteuert wird“, sagt Kram.

Dass es den „Video King“, der früher „Video Union“ hieß, noch gibt, führt Martina Kram auch auf den bekannten und günstigen Standort zurück. 1993 übernahm Besitzer Günter Hellwig, der früher einmal mehr als 20 Videotheken besaß, das Ladenlokal am Berliner Platz 1. Doch schon davor, in den 80er Jahren, konnten hier Filme ausgeliehen werden. „Also quasi seit es Videotheken gibt“, so Kram.

Die Lage sei praktisch. Schwebebahnstation und Bahnhof erzeugen Laufkundschaft. Die sei gerade im Erotik-Bereich wichtig. Während nämlich der Verleih pornografischer Filme — ebenfalls durch das Internetangebot — zurückgegangen ist, sei der Verkauf der Ab-18-Streifen noch immer besonders stark. „Das sind manchmal reisende Kunden, die ihre Filme gerne in einer anderen Stadt kaufen“, weiß Martina Kram.

Neuerdings nehme der Anteil der Kunden mit Migrationshintergrund stark zu. Bei dieser Gruppe sei der DVD-Player eben noch stärker vertreten als der internetfähige Fernseher. Eine Zeit lang fragten ausländische Kunden besonders stark die „Bollywood“-Filme nach. Der „King“ hatte eine Nische für sich gefunden. „Wir hatten immer die neusten Veröffentlichungen. Ein ganzes Regal voll“, erinnert sich die Frau an der Theke. Doch der Trend endete schlagartig als mit „Zee.One“ ein Bollywoodsender in Deutschland an den Start ging.

Martina Kram blickt verhalten optimistisch in die Zukunft: „Mein Chef hat Durchhaltevermögen. Solange noch ein kleines Plus dabei herausspringt, macht er weiter.“ Bis zum Ende des Jahres ist der Standort sicher — danach rechnet Günter Hellwig noch einmal neu. Wie jedes Jahr. Kram ist doch überrascht, wie schnell die Entwicklung die Videotheken überrannt hat. Als die Telekom mit ihrem ersten Online-Videoverleih Ende 2003 an den Start ging, hatte Kram noch gedacht: „Das setzt sich nicht durch.“