Nach 50 Schlägen köpfte der neue König den Hahn
Beim Sängerfest des MGV Niegedacht gehört das Hahneköppen seit mehr als 100 Jahren dazu.
Herbringhausen. Ein Korb baumelt frei im Hof an einem von Baum zu Baum gespannten Seil. Oben aus dem Korb schauen Eichenblätter hervor. Das untere Ende hat ein Loch, aus dem eine Plastiktüte hängt. Es ist wieder Sängerfest des Männergesangvereins „Niegedacht“ im kleinen Ortsteil Herbringhausen. Auch in diesem Jahr wurde zum Ende des zweitägigen Festes am vergangenen Sonntag das Hahneköppen veranstaltet. „Das ist eine alte Tradition, die hier beim Sängerfest schon seit ungefähr 100 Jahren veranstaltet wird“, erklärt der Pressesprecher des Vereins, Oliver Breitenbach.
Bei diesem alten Brauch wird ein vorher eingeschläferter und ausgebluteter Hahn mit dem Kopf nach unten in einem Korb aufgehängt. Anschließend versuchen Kontrahenten, dem Hahn mit verbundenen Augen und einem stumpfen Säbel den Kopf abzuschlagen.
Christian Jäckel
Der Ursprung dieser Tradition ist nicht ganz klar. Laut der gängigen Theorie wird der Brauch auf die Zeit der Besetzung durch die Franzosen bis 1814 zurückgeführt. Damals, so die Überlieferung, sollte dem verhassten „gallischen“ Hahn symbolisch der Kopf abgeschlagen werden und so der Widerstand der Rheinländer ausgedrückt werden. Es gibt jedoch auch die Theorie, dass der Brauch bereits viel älter ist, und im Mittelalter beim Erntedankfest der Hahn stellvertretend als in der letzten Gabe weilender „Korndämon“ getötet wurde.
Im Außenbereich der Freiwilligen Feuerwehr haben sich trotz regenschwangeren Wetters mittlerweile einige Menschen eingefunden. Der Kopf des Hahns wird von der Tüte befreit und als erster darf der letztjährige Hahnenkönig, Deniz Önler, gegen einen kleinen Obulus sein Glück versuchen. Der Schlag geht daneben, wie so viele weitere von anderen Kandidaten an diesem Nachmittag noch folgen werden. Blind zu schlagen, ist schwierig, die Trefferwahrscheinlichkeit trotz „Vorfühlens“ mit dem Säbel gering.
Immer wieder führt Vereinsurgestein Engelbert Rützenhoff die Kontrahenten der Reihe nach zum Korb. „Weiter links. Höher, noch höher. Ja, genau da und jetzt feste durchziehen“, dirigiert das Publikum. Mit Anekdoten und lustigen Neckereien kommentiert Moderator Manfred Glow die Versuche. Mancher Schlag trifft, doch bis der Kopf fällt, braucht es mehr als 50 Schläge. Am Ende ist Christian Jäckel, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, der Glückliche, dem die Vorarbeit der anderen zu gute kommt.
In weitem Bogen fliegt der Kopf direkt in die am Rande des Platzes stehenden Toiletten, und unter großem Gejubel wird der neue Hahnenkönig zur Theke getragen, wo er die Krone aus Eichenlaub aufgesetzt bekommt.
„Es ist eine Ehre, wenn man für ein Jahr Hahnenkönig ist. Für uns Herbringhauser ist es eine alte Tradition und etwas Besonderes, wenn man dabei sein darf“, erzählt der neue Hahnenkönig. Auch die Zuschauer sind begeistert von dem Spektakel. „Ich bin aus Remscheid dafür hergekommen. Solche Traditionen sind teilweise die letzte Möglichkeit, die kleinen Ortschaften Zusammenhalt bietet“, erzählt ein 69-jähriger Besucher aus der Nachbarstadt.
Ein leicht kritischer Unterton bleibt aber auch im Verein nicht ganz aus, denn der Brauch wird vor allem von Tierschützern moniert und hinterlässt bei manchem einen Beigeschmack. Von Leichenflederei und unnötigem Töten ist da die Rede. Um die alte Tradition dennoch aufrecht erhalten zu können, wird in Herbringhaus ein alter Hahn genommen, der vorher eingeschläfert wird. Verschwendung ist es, so versichert Breitenbach, auch nicht, denn der Hahn wird nun im Suppentopf eines Herbringhausers landen oder an die Tiere verfüttert werden.