Die Ära der rosa Waschbecken endet

Doris Sauer schließt ihr Friseurgeschäft. In fast 41 Jahren hat sie einige Trends miterlebt.

Foto: Stefan Fries

Zoo. Doris Sauer hat in ihrem Friseursalon an der Tiergartenstraße fast 41 Jahre Haargeschichte erlebt. Von der Farah-Diba-Hochsteckfrisur, über Minipli, Vokuhila und Männer-Dauerwelle. An den Vorlieben der Herren waren meist Fußball-Idole Schuld. „Die waren bei den Jungens immer ganz groß“, sagt die 72-Jährige, der in den vergangenen Jahrzehnten schon viele Fotos von Fußballern unter die Nase gehalten wurden.

Am 24. Juni schließt Doris Sauer ihren Laden. Nicht weil sie zu alt geworden ist. Das glaubt man der Seniorin sofort, die inzwischen ihren Laden alleine schmeißt, als wäre sie Mitte 30. „Auch finanziell lief es immer gut“, sagt sie. Wahrscheinlich hätte Sauer noch ein paar Jahre drangehängt — wenn sie nicht vor zwei Monaten überfallen worden wäre. „Ich war gerade hinten und hörte nur, wie jemand in den Laden kam. Ich dachte erst, das wäre ein Kurier — doch dann habe ich bemerkt, dass die Kasse weg war.“ Seitdem fühlt sich die Friseurin abends nicht mehr sicher im Laden. „Wenn ich alleine bin, schließe ich mich ein“, berichtet sie. Nun hat sie deswegen die Entscheidung getroffen aufzuhören.

Leicht sei ihr das nicht gefallen. „Manche Kunden sind im Laufe der Jahre zur Familie geworden“, sagt sie. Da ist etwa ihre Freundin Marlene Brida (67), die Sauer nicht nur wegen ihrer flinken Schere lobt. „Sie ist für uns auch eine soziale Anlaufstelle. Alte Leute kommen hier auch mal einfach so vorbei, weil Doris immer ein offenes Ohr hat.“

Über die Jahre sammelte Doris Sauer hunderte Stammkunden — einige kommen seit des Eröffnungstages am 22. Juni 1976. Davon kennt der ein oder andere sogar noch den Vorgängerladen. In dem Ladenlokal an der Tiergartenstraße wird bereits seit mehr als 100 Jahren mit Kamm und Schere hantiert. Der Gründer, so weiß Sauer, war der „Treppen-Otto“. Wie der zu seinem Namen kam? „Na, weil der die Haare immer so treppig geschnitten hat“, weiß Sauer. Ob vielleicht sogar die markanten rosafarbenen Waschbecken noch aus seiner Zeit sind, ist unklar. Sauer weiß nur, dass sie schon im Laden waren als sie in den 70er Jahren das Geschäft eröffnet hat.

Nach dem 24. Juni, wenn die Friseurin in ihrem Laden ab 13 Uhr noch einmal zu einem Sektchen einlädt, kommt dann nach Jahrzehnten für Sauer eine Zeit ohne Laden. Doch über Langeweile macht sie sich keine Sorgen. „Ich gehe regelmäßig joggen und besuche seit 25 Jahren einen Englischkurs“, sagt sie. „Ich hatte eigentlich immer zu wenig Zeit.“ Wobei sie klar macht: „Die Arbeit hier habe ich aber nie als Last empfunden.“

Vor allem wegen der Menschen. In ihrer Zeit hat Sauer zehn Lehrlinge ausgebildet. Ihre Auszubildende Alexandra arbeitete schließlich 23 Jahre an ihrer Seite.

Mit viel Wehmut denkt Sauer aber an ihre wohl treuste, inzwischen verstorbene, Stammkundin zurück. Sie ging jeden Tag zum Friseur. „Das war die Rita. Sie kam über Jahrzehnte um 8 Uhr und wurde von mir frisiert und geschminkt“, denkt die 72-Jährige zurück an eine Zeit, als der Friseur für viele Kunden noch einen ganz anderen Stellenwert hatte. An der Tiergartenstraße hat Doris Sauer dieses enge Verhältnis zwischen Kunde und Friseur noch über Jahre erhalten. Wie in einer Zeitkapsel mit rosa Waschbecken.