Soziales Unfreiwillige Helfer werden für die Tafel zum Problem

Wuppertal · Bis zu 900 Jugendliche im Jahr leisten dort Sozialstunden ab – bis zu 21 pro Tag. Es fehlen nötige Betreuer.

800 bis 900 Jugendliche leisten ihre Sozialstunden bei der Tafel ab.

Foto: picture alliance/dpa/Roland Weihrauch

Die Wuppertaler Tafel fühlt sich durch die Hohe Zahl von Jugendlichen überfordert, die bei der Einrichtung gerichtlich angeordnete Sozialstunden ableisten. Wie die Einrichtung im Gespräch mit der WZ mitteilte, müssen sich die Kräfte der Tafel jeden Tag im Schnitt um 21 Jugendliche gleichzeitig kümmern, die eine Strafe durch Arbeitsstunden ableisten. Im Jahr durchlaufen 800 bis 900 sogenannte „Sozialstündler“ die Einrichtung. Der Höchstwert lag bei 1200. Wolfgang Nielsen, 1. Vorsitzender der Wuppertaler Tafel, sagt: „Das sind zu viele Problemleute für eine Einrichtung. Die müssen ja auch irgendwie betreut werden.“ Inzwischen gibt es bei der Tafel eine von Bundesgeldern bezahlte Vollzeitstelle, die nur dafür da ist, die Sozialstündler zu verwalten. Nielsen würde sich jedoch wünschen, dass sich die Stadt einmal Gedanken darüber macht, wie die Betroffenen vor Ort betreut werden – auch sozialpädagogisch.

Nielsen berichtet von den alltäglichen Problemen: „Da kommt dann jemand und will die Stunden für seinen Bruder ableisten. Da müssen wir natürlich die Ausweise überprüfen.“ Andere Jugendliche würden plötzlich den ganzen Tag verschwinden und am Ende behaupten, sie hätten gearbeitet. In Ausnahmefällen, so Nielsen, kommt es mit den jungen Leuten auch zu Eskalationen. „Einer hat uns mal die ganze Küche kaputtgeschlagen“, erzählt der Tafel-Vorsitzende. Da seien dann auch gelegentlich Drogen mit im Spiel. Zudem sei für jeden der Hunderten von Menschen auch bei einfachen Aufgaben eine Einarbeitung vonnöten. „Es kommen Leute zu uns, die haben zu Hause noch nie gespült“, sagt Wolfgang Nielsen. Leichter sei die Zusammenarbeit mit den erwachsenen Sozialstündlern. Diese Gruppe ist gar nicht so klein: Es handelt sich um verurteilte Menschen, die ihr Bußgeld nicht zahlen können und daher die Strafe alternativ abarbeiten.

50 Einrichtungen arbeiten mit der Jugendhilfe zusammen

Die Tafel ist nur eine von 40 bis 50 Einrichtungen, die in Wuppertal freiwillig mit der „Jugendhilfe im Strafverfahren“ (früher Jugendgerichtshilfe) beim Jugendamt kooperiert. Allerdings nimmt die wohltätige Einrichtung besonders viele junge Menschen auf. Nicht jede Einrichtung ist so groß und einige junge Straftäter sind mit gewissen Einsatzorten nicht vereinbar. Simone Braun von der Jugendhilfe nennt Beispiele: „Jugendhäuser wollen keine Kiffer, Altenheime keine Diebe.“

Im Johanniter-Stift Wuppertal leisten im Jahr drei bis vier Jugendliche Sozialstunden ab. Katja Sonntag, Leiterin der Einrichtung, berichtet: „Wir haben schlechte Erfahrungen gemacht und geben den Leuten gar nicht die Chance zum Diebstahl.“ Daher werden die gesandten Kräfte im Alter von 14 bis 21 Jahre gar nicht direkt bei den Bewohnern eingesetzt, sondern beispielsweise in der Waschküche oder beim Hausmeister.

Man sei sich darüber bewusst, so Braun, dass die jungen Leute für die sozialen Einrichtungen „eher eine Last als eine Hilfe sind“. Jedoch weist sie darauf hin, dass die Aufnahme der Sozialstündler eine freiwillige Leistung ist: „Jede Stelle könnte es ablehnen.“ Doch Tafel-Chef Wolfgang Nielsen sieht in einem Abweisen der Jugendlichen keine Lösung: „Wo sollen die denn alle hin, wenn wir sie nicht nehmen?“

In Wuppertal gab es 2018 insgesamt 1868 Verfahren mit Jugendlichen und Heranwachsenden. Die Zahl für dieses Jahr wird voraussichtlich höher sein, weil die 1000er Marke bereits jetzt im Juli überschritten wurde. In den häufigsten Fällen stehen am Ende dieser Verfahren Sozialstunden. Je nach Vergehen ordnet ein Gericht, so Braun, zwischen fünf und 100 Sozialstunden an. Es gibt auch Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft das Verfahren anstößt. Dann funktionieren die Sozialstunden als Auflage. Werden sie geleistet, kommt es im Gegenzug zu keiner Anklage.

Den Einsatzort bestimmt prinzipiell die Jugendhilfe. Dabei richte sich die Stadt nach Wohnort und gegebenenfalls der Schulzeiten des Betroffenen. „Manchmal funktionieren auch Wünsche“, sagt Braun. Allerdings müssen die vorgeschlagenen Einrichtungen wohltätig sein. Braun schildert: „Es kommen auch welche, die wollen ihre Stunden bei Saturn machen. Das geht natürlich nicht.“

Die erzwungenen Arbeitsstunden wirken übrigens nicht selten Wunder. Braun sagt: „Die meisten Jugendlichen sehen wir nur einmal.“ Trotzdem gibt es auch die schweren Fälle, die wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt geraden. „Zehn bis 15 Prozent kommen immer wieder.“