In Ihrem Vortrag in der Reihe WZ-Wissen sprechen Sie über die „unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen“: Resilienz. Schon der Begriff dürfte den meisten nicht bekannt sein. Warum ist die Fähigkeit bisher oft unentdeckt?
Interview Mit unentdeckter Fähigkeit zum Erfolg
Interview Resilienz bringt einen weiter, sagt Denis Mourlane. Der Psychologe und Autor spricht am 19. Juni in der Reihe WZ-Wissen.
Denis Mourlane: Der Mehrzahl der Menschen ist natürlich, insbesondere wenn sie ein wenig darüber nachdenkt, bewusst, dass es diese Fähigkeit gibt. Dass es für sie aber einen Begriff, nämlich Resilienz, gibt, weiß eine Vielzahl von Menschen nicht.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff genau?
Mourlane: Es ist die Fähigkeit von Menschen mit den Widrigkeiten des Lebens, also im Kern mit emotional belastenden Situationen umzugehen. Meist handelt es sich dabei um Situationen, die wir als Menschen nicht verlassen und nicht beeinflussen können, so dass wir nur an uns selbst etwas ändern können, um gut mit ihnen umzugehen. Es geht also einerseits um sehr herausfordernde Situationen, wie zum Beispiel das Aufwachsen unter schwierigen Bedingungen, Trennungen, Todesfälle, Unfälle oder Erkrankungen, aber auch um weniger schlimme Herausforderungen wie eine Vollsperrung auf der Autobahn, unsere Kinder, die mal wieder trödeln oder die Präsentation vor der Geschäftsführung. Auch diese Situationen sind kaum änderbar und können Menschen vor emotionale Herausforderungen stellen.
In welchen Bereichen hilft Resilienz weiter?
Mourlane: In allen, in denen wir mit für uns negativen Emotionen, wie zum Beispiel Angst, Traurigkeit, Ärger oder Schuldgefühlen, konfrontiert sind und in denen wir gerne mehr Gelassenheit empfinden würden. Ich weiß aus Erfahrung, dass es unzählige solcher Situationen gibt und dass dies alles etwas sehr subjektives ist. Der eine reagiert auf die angekündigte Vorstandspräsentation mit Freude und Gelassenheit, während der andere deswegen schlaflose Nächte hat. Und das obwohl beide über gleich gute Fähigkeiten verfügen, eine tolle Präsentation zu halten.
Wird das Leben nicht furchtbar langweilig, wenn wir uns irgendwann alle total unter Kontrolle haben und gelassen sind?
Mourlane: Das ist eine Frage, über die man lange diskutieren kann und die Diskussionen würden, je nachdem in welchem Kulturkreis wir uns bewegen, auch ganz unterschiedlich verlaufen. In Ländern wie zum Beispiel Japan oder Finnland hat das Zeigen von Emotionen einen ganz anderen Stellenwert als in arabischen oder südeuropäischen Ländern. Resilienz bedeutet aber auch nicht ständig selbstkontrolliert und gelassen durch die Welt zu laufen. Emotionen haben ja eine wichtige Funktion. Angst zeigt uns zum Beispiel, dass eine Gefahr besteht. Hätten wir also keine Angst mehr, würden wir eventuelle Gefahren nicht mehr richtig wahrnehmen. Viele Menschen haben aber auch Angst, obwohl so gut wie gar keine Gefahr besteht oder sind hoffnungslos, obwohl es jede Menge Möglichkeiten gibt, eine herausfordernde Situation zu meistern. Resilienz bedeutet viel mehr „richtig“ zu fühlen. Es geht im Kern um „emotionale Reife“. Ich fände eine Welt, in der Menschen beim Autofahren weniger rumschreien oder in der Menschen weniger Angst als nötig haben, gar nicht langweilig, sondern, ganz im Gegenteil, sogar sehr erstrebenswert.
Ihr Resilienz-Konzept arbeitet mit den sieben Resilienz-Faktoren Emotionsteuerung, Impulskontrolle, Kausalanalyse, Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Empathie, realistischer Optimismus und Zielorientierung. Welchen Faktor gehen Sie als erstes an?
Mourlane: Immer den Faktor, bei denen der Mensch, der bei mir im Training oder im Coaching sitzt, für sich selbst das größte und vielversprechendste Entwicklungspotenzial sieht. Das kann ein Pessimist sein, der lernen möchte, schneller das Positive an einer Situation zu entdecken, oder ein Mensch, der, ohne einen wirklichen Grund dafür zu haben, zu sehr an sich zweifelt und deshalb seine Ziele nicht so konsequent verfolgt, wie es gerechtfertigt erscheint.
Kann man in eineinhalb Stunden schon etwas an seiner Resilienz tun?
Mourlane: Unbedingt. Sie werden nach eineinhalb Stunden üben aber noch nicht der resilienteste Mensch sein, der sie sein könnten. Die Arbeit an der eigenen Resilienz und somit der eigenen psychischen Stärke ist eine lebenslange Arbeit. Genauso, wie die Arbeit an der eigenen körperlichen Stärke und Widerstandsfähigkeit. Sie können sich ja auch nicht eineinhalb Stunden gesund ernähren und bewegen und das war es dann. In eineinhalb Stunden könne Sie aber zum Beispiel 20 Minuten Meditieren, fünf Minuten lang aufschreiben, was am heutigen Tag Schönes passiert ist, zehn Minuten überlegen, wofür Sie in Ihrem Leben dankbar sind, 15 Minuten etwas tun, dass Ihnen richtig Freude bereitet und dann noch die restliche Zeit mit jemandem telefonieren, den Sie sehr mögen und bei dem Sie sich schon ewig mal wieder melden wollten. Wenn Sie das machen, arbeiten Sie schon an Ihrer Resilienz und werden darüber hinaus wahrscheinlich viele positive Emotionen erleben.