„Wir sparen ganz erheblich“
Wuppertals Oberbürgermeister Peter Jung über die bald höheren Steuern und den Sparkurs.
Wuppertal. Herr Jung, Sie sind doch auch ein Unternehmer, schmerzt es da nicht, die Steuern zu erhöhen?
Jung: Natürlich schmerzt es, die Steuern zu erhöhen. Es gibt jedoch zwei Gründe, die dafür sprechen, in dieser Situation trotzdem so zu handeln. Erstens: Den Kürzungsvorschlägen, die wir statt dessen gemacht haben, wurde nicht zugestimmt. Zweitens ist eine Stadt in drohender Überschuldung verpflichtet, gerade die Gewerbesteuern auf ein mittleres Maß der vergleichbaren Großstädte anzuheben.
Wie hoch sind die erwarteten Mehreinnahmen durch die Steuererhöhung?
Jung: Die Gewerbesteuer bringt rund fünf Millionen Euro Mehreinnahmen, die Grundsteuer etwa 2,4 Millionen Euro.
So haben sich das die Wuppertaler mit dem Sparen aber wahrscheinlich nicht vorgestellt?
Jung: Wir sparen aber doch auch ganz erheblich! Der weitaus größte Teil der Haushaltsbeschlüsse sind echte, strukturelle Einsparungen! Städte in drohender Überschuldung müssen beides tun: sparen, aber eben auch, da wo es vertretbar ist, die Einnahmen erhöhen. Wenn Sie die Gewerbesteuer mit anderen etwa gleich großen Städten in NRW vergleichen, dann liegen wir deutlich im unteren Drittel.
Ja, aber wenn Sie sich die Städte in der Nachbarschaft anschauen, dann ist Wuppertal am teuersten. Das ist doch Konkurrenz für die Stadt.
Jung: Sicher ist das Konkurrenz, aber man darf hier nicht Äpfel und Birnen vergleichen. Von einer Großstadt wird doch eine ganz andere Infrastruktur erwartet, als dies bei kleinen Städten der Fall ist. Deswegen sollte die besondere Situation der Großstädte beim Finanzausgleich stärker berücksichtigt werden. Unsere Infrastruktur wird ja auch von vielen Menschen außerhalb Wuppertals genutzt.
Viele Menschen in der Stadt haben das Gefühl, weil die Stadtspitze mit einigen Einsparungen gescheitert ist, geht sie jetzt den einfachen Weg der Steuererhöhungen. Ist das richtig?
Jung: Es ist nicht richtig, denn wir haben die Steuererhöhungen nicht vorgeschlagen. Sie sind der Vorschlag der Politik, die damit wiederum Erhöhungen an anderer Stelle, besonders für Familien, vermeidet. Es war immer die Verabredung mit der Politik: Wenn einzelne Sparmaßnahmen sich nicht umsetzen lassen, dann muss ein Ausgleich geschaffen werden.
Wer hat sich denn die höheren Steuern gewünscht, CDU oder SPD?
Jung: Es ist ein gemeinsamer Antrag.
Kämmerer Johannes Slawig (CDU) hat ja immer gesagt: Wenn nicht gespart wird, müssen Alternativen auf den Tisch. Die Menschen haben das so verstanden, dass alternative Sparvorschläge auf den Tisch müssen. Den Ruf nach Steuererhöhungen habe ich nirgendwo in der Stadt gehört, oder?
Jung: Wenn jetzt am Montag vom Rat entsprechende Beschlüsse gefasst werden, liegen wir mit dem Sparkonzept bei knapp 60 Millionen Euro. Davon sind höchstens 10 Millionen Euro Steuererhöhungen, bleiben fast 50 Millionen an echten strukturellen Einsparungen. Mit diesen 50 Millionen ist ein deutlicher, erster Aufschlag gelungen, der zeigt, dass hier in erheblichem Maße gespart wird.
Das ist aber doch eine kurzfristige Betrachtungsweise. Schadet denn nicht eine höhere Gewerbesteuer der Konkurrenzfähigkeit der Stadt Wuppertal?
Jung: Wir bleiben ja im Städtevergleich im mittleren Bereich. Wenn dies der Rat am Montag nicht beschließen würde, bestünde die Gefahr, dass die Bezirksregierung uns zwingt, die Gewerbesteuer zu erhöhen. Das hätte uns viel härter getroffen.
Andersrum gefragt. Die Stadt hat eine negative Bevölkerungsbilanz, Wuppertal verliert Einwohner. Eine höhere Grundsteuer sorgt doch nicht dafür, dass solch ein Trend umgekehrt wird. Wird die Stadt nicht in ihrer Entwicklung behindert?
Jung: Ich sehe das nicht so. Wir bewegen uns mit den Grundsteuern auf einem mittleren Niveau, wenn wir uns mit anderen Großstädten in NRW vergleichen. Die Lebensbedingungen in Wuppertal sind zudem so gut, dass das im Wohnbereich keine Auswirkungen haben wird. Unser Mietniveau ist erheblich niedriger als in umliegenden Gemeinden wie etwa in Düsseldorf.
Wenn eine Familie nur ein Kind in den Kindergarten schickt, ist Düsseldorf günstiger, weil dort die Kindergartenbeiträge komplett abgeschafft wurden, oder?
Jung: Ja, aber die anderen Lebenshaltungskosten in Düsseldorf sind so hoch, dass sich das ausgleicht. Übrigens würde ich liebend gerne auch die Gebührenfreiheit für Kindergärten einführen. Das wäre eine wichtige Maßnahme. Durch die Steuererhöhungen verhindern wir wenigstens, dass die Kindergartengebühren in Wuppertal steigen müssen. Mit Gebührenerhöhungen würden wir ganz besonders die Mittelschicht treffen.
Diese Erkenntnis hätten Sie doch aber schon im Herbst 2009 haben können. Da wäre es doch sinnvoll gewesen, gleich anzukündigen, dass die Grund- und Gewerbesteuer erhöht werden soll, anstatt die halbe Stadt in Aufregung zu versetzen?
Jung: Wir haben immer gesagt, dass keiner unserer Sparvorschläge unumstößlich ist, sie waren ausdrücklich als Diskussionsgrundlage gedacht.
Sie haben das Sparpaket vorgestellt, da war etwa als Einmalbetrag mit zehn Millionen Euro der Verkauf der GWG drinnen. Schon einen Tag später hatte die SPD erklärt, dass das mit ihr nicht zu machen sei. Das gleiche, als Sie der Börse die Zuschüsse streichen wollten. Jung: Aber es sind doch Alternativen genannt worden. Genau das war die Diskussionsgrundlage.
Ist es denn geschickt, mit Vorschlägen auf den Markt zu gehen, die ohnehin keine Chance haben?
Jung: Wir haben gesagt: Es bleibt kein Bereich von Sparvorschlägen ausgenommen. Der größte Teil dessen, was wir vorgeschlagen haben, ist umgesetzt. Es war uns immer klar, dass sich nicht alles aus diesem Paket umsetzen lässt. Diese Diskussion wird man weiter führen müssen.
Was heißt das?
Jung: Das, was jetzt im Sparpaket beschlossen wurde, wird vermutlich noch nicht ausreichen, um an einem Entschuldungsfonds für die strukturschwachen Städte teilhaben zu können. Wir müssen abwarten, wie das Programm des Landes in diesem Punkt aussieht.
Was machen Sie eigentlich, wenn Bund und Land nicht helfen?
Jung: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Bund und Land der Verantwortung für die Kommunen entziehen. Wir haben das Wort der Bundeskanzlerin.