Bänderproduktion am laufenden Band
In der Bandweberei Kafka entstehen auf historischen Stühlen Jacquard-Gewebe.
Wuppertal. Die Maschinen stampfen im regelmäßigen Rhythmus und geben den Takt vor. Metall scheppert auf Metall, der hölzerne Webarm bewegt sich mit dumpfem Schlag vor und zurück. Die Schiffchen mit bunten Garnen schwirren blitzschnell von rechts nach links. Sechs der historischen Webstühle arbeiten auf der unteren Etage der Langerfelder Bandweberei Kafka gleichzeitig und lassen den Betonboden unter den Füßen vibrieren.
In den schmalen Gängen zwischen den hoch aufragenden Holzrahmen ist André Homberg unterwegs, um zu schauen, ob alles rund läuft. Der 39-Jährige ist gelernter Bandweber. Seine Ausbildung hat er in einem modernen Betrieb in Ronsdorf absolviert. „Zufällig suchte die jetzige Chefin gerade jemanden.“ Vieles musste er ganz neu lernen. „Die alte Technik kannte ich gar nicht. Doch die vielen Möglichkeiten der Bindungen und Muster machen meine Tätigkeit sehr reizvoll.“
Millimeterweise schiebt sich das grüne Band mit den goldenen Sternen über verschiedene Rollen vor und schlängelt sich, unten angekommen, in einen hölzernen Behälter. Ratternd laufen die Lochkarten unter der Decke über Metallhämmer, die dafür sorgen, dass sich die straff gespannten Kettfäden zur richtigen Zeit heben und senken, damit die farbigen Schussfäden sich zu einem filigranen Muster miteinander verweben. Während Dora mit den Sternen beschäftigt ist, lässt Theo Mistelzweige mit goldenen Beeren entstehen. Willi und Maja in der hinteren Reihe machen Pause.
In verschnörkelten altdeutschen Buchstaben stehen diese Namen auf weißen Emaille-Schildern, die an den dunklen Holmen der Maschinen angebracht sind. „Das war die Idee der Chefin. Nummern waren ihr zu unpersönlich“, berichtet André Homberg. Die insgesamt 25 Jacquard-Webstühle auf zwei Etagen sind zwischen 75 und 100 Jahre alt. „Die Älteste ist von 1880, das ist unsere Oma. Sie steht oben.“ Ein Lederriemen treibt sie an und sie genießt in jeder Hinsicht eine Sonderstellung. „Sie hat auf der Weltausstellung 1900 in Paris eine goldene Medaille gewonnen“, berichtet André Homberg stolz. Das Siegel ist schon fast verblasst und sie bewegt sich auch etwas behäbiger als die anderen, doch im gleichmäßig schlagenden Takt.
Ein lauter Knall lässt André Homberg aufhorchen. Sofort eilt er in die Richtung des Geräuschs und inspiziert die Maschine. „Wenn die Spannung der Fäden weg ist, gibt es sofort ein Knäuel. das sehe ich hier nicht. Es könnte auch ein Gewicht heruntergefallen sein“, sagt er und stellt die Maschine sicherheitshalber ab. In der oberen Etage macht Christian Lenkeit gerade seinen Rundgang. Tief beugt er sich über einen Webstuhl und kontrolliert die pfeilschnelle Arbeit der Schiffchen, die gleichmäßig hin und her sausen.
Der 32-Jährige ist der zweite Weber in dem kleinen Betrieb. „Hier zu arbeiten hat einen ganz eigenen Charme. Die hochwertigen Produkte und die Technik sind schon etwas ganz Besonderes. Wir machen sehr viel selbst und das ist reizvoll.“ Die Muster, die verschiedene Designer und die Chefin selbst entwerfen, stanzen sie mit einer speziellen Maschine in die Lochkarten, die dann in Endlosschleife über die Maschinen laufen. „Wir müssen ihr über die Karten jeden Farbwechsel erklären. Jede Farbe braucht eine eigene Karte. Das kann sehr aufwendig sein“, sagt Christian Lenkeit mit Blick auf die bunte Skizze für ein neues Blumenmuster.
Die gewebten Bänder fühlen sich weich an, die gewebte Kante und die Muster geben ihnen Struktur. Im liebevoll eingerichteten Laden nebenan hat Christine Niehage sie nicht nur rollenweise in schlichten Regalen dekoriert. Handgenähte Kissen, Taschen, Kleider und Kleinigkeiten setzen die Borten als Blickfang in Szene. „Als Geschenkband sind sie eigentlich zu schade“, sagt die Inhaberin. „Viele machen Karten oder Tischläufer daraus.“
In den vielen kleinen Fächern lassen sich Blumenmuster, maritime Elemente, Ornamente, Tiermotive und Schriftzüge in großer Farbenvielfalt entdecken. Mehr als 1300 verschiedene Produkte zählen zum Sortiment. „Unsere Kunden sind Privatleute aber auch Händler. Besonders die Trachtenbranche weiß unsere Bänder zu schätzen. Wir besetzen da eine kleine Nische“, sagt Christine Niehage.
Sie hat die Manufaktur vor fünf Jahren von Frauke Kafka übernommen. Zuvor hatte sie in einem Software-Betrieb gearbeitet. „Als gelernte Schneiderin hatte ich aber einen textilen Bezug und habe daher nicht lange gezögert.“
Vom Stampfen und Scheppern der Webstühle ist im Laden nicht viel zu hören. Nebenan geben sie jedoch den Takt für das Tagewerk vor.