Cronenberg. Wenn die Jugend über Platt „kallt“
Cronenberg. · Emily Winkelsträter und Juri Lietz (beide 19) moderieren seit Januar den „Plattkaller-Stammtisch“ im Radio — und wollen das Bewusstsein für die Mundart schärfen.
Vor acht Jahren saßen wir mit anderen Kindern auf der Bühne des voll besetzten Cronenberger Festsaals und trugen als Schulklasse beim „Mongkaat-Owend“ der Obrams ein Stück auf Platt vor, in dem wir die Mundart unseres heimischen Stadtteils lernten. „Stachelbeeren? - Kri‘enzeln! Himbeeren? - Humelten!“. Ein durchaus ungewöhnlicher Vortrag, denn Zwölfjährige, die Platt „kallen“, also sprechen, gibt es heute eigentlich nicht mehr.
Schon zu dieser Zeit waren wir also Exoten in einem weitgehend von der Generation unserer Großeltern geprägten Feld. Den Altersschnitt im Festsaal senkten wir damals wohl deutlich. Mittlerweile ist der Mundart-Abend in das kleine Café Born umgezogen, das Interesse für die regionale Sprache scheint auf den ersten Blick immer weiter zu schwinden.
In der Sendung wird eher über als im Platt gesprochen
Doch was bedeutet sie den Menschen überhaupt? Dieser Frage und vielen anderen versuchen wir, Emily Winkelsträter und Juri Lietz, in unserer Radio-Sendung im Bürgerfunk, „Platt gesagt“, nachzugehen.
Übernehmen durften wir sie im Januar von Wera Picard-Putsch und Emilys Großvater Karl-Heinz Dickinger, der einst auf der Bühne unseren Lehrer spielte. Der Kontakt zur Mundart geschah bei uns also durch die ältere Generation. Das scheint fast Bedingung zu sein, um sich damit auseinanderzusetzen.
Unsere Altersklasse wächst nach außen gerichtet auf, auch was Sprachen angeht. Lernt ab der ersten Klasse Englisch, wird manchmal zweisprachig erzogen und kann in der Schullaufbahn Kenntnisse weiterer Sprachen erwerben. Das ist ein großer Vorteil und gibt uns eine Vielzahl an Möglichkeiten. Der Blick in die Geschichte und Kultur des lokalen Umfelds — und der lokalen Sprache — scheint uninteressant.
Sich mit Mundart zu befassen, ist auch für die Jugend spannend
Und die Argumente sprechen auf den ersten Blick oft genug gegen die Beschäftigung mit der Mundart. Mit wem kann ich es sprechen? Wie viele beherrschen überhaupt noch das „Platt“ meiner Stadt, meines Stadtteils gar, wenn es doch nur einige Kilometer weiter schon wieder ganz anders klingt?
Trotzdem bleibt es hochinteressant, sich mit den Wurzeln auseinanderzusetzen, die häufig die Grundlage dessen bilden, was wir heute sprechen. In den bisher gestalteten zwei Folgen der Radiosendung konnten wir das schon erleben: Ein 21-Jähriger, der eine ganze Zeitung „op Platt“ herausbringt, ist der Gegenbeweis dazu, dass nur noch einige älterer Muttersprachler die Regionalsprache erhalten wollen.
Dabei muss es keinesfalls ewiggestrig, historisch-romantisch und verschlossen sein. Wir wollen den Blick über den Tellerrand hinaus wagen, nicht nur nach Cronenberg, auch in die anderen Wuppertaler Stadtteile, ins Bergische Land, in andere Regionen Deutschlands und in andere Länder schauen.
An vielen Orten wird Lokalsprache gepflegt, sie leistet einen wichtigen Beitrag zur eigenen Identität, ohne aber zu stolz zu sein; denn sie steht immer im Zusammenhang mit einer oder mehreren anderen Sprachen. So wie auch in unserer Sendung, denn Platt gelernt haben wir trotz Bühnen-Schulstunde nicht. Deshalb „kallen“ wir also nur darüber, sprechen es nicht selbst – und hoffen, mit allen, die zuhören, etwas zu lernen.