Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Kulturlandschaft im Horizont geeint
Wuppertal · Wider die Ungleichbehandlung von etablierter und freier Szene.
In unserer schönen Stadt gibt es, wie in vielen anderen Städten weltweit, Kulturinstitutionen wie das Sinfonieorchester, die Oper oder das Schauspiel, die nahezu vollständig von der öffentlichen Hand getragen werden. Und es gibt die sogenannte freie Szene mit Musik, Kunst, Literatur, Theater und vielem mehr, deren relative Fülle gar nicht so häufig ist. Die freie Szene in Wuppertal, das weiß auch die Politik, ist etwas Besonderes. Sie erhält teilweise institutionelle Förderung, muss sich diese jedoch – auf deutlich niedrigerem Niveau – immer wieder neu sichern. Überwiegend lebt sie von der eigenen Hand in den Mund, von Fördergeldern aus Land und Bund, die sie akquiriert, womit sie eine Menge Geld in die Stadt bringt.
Noch immer erlebe ich in Diskussionen einen Graben zwischen diesen beiden Sphären, nicht zuletzt, wenn es um die Verteilung von Geldern geht. Während ein Kulturort in der freien Szene oft nicht weiß, wie er über die Runden kommen oder das nächste Konzert geschweige denn einen Flügel finanzieren soll, wirken die Summen, die beispielsweise unser Opernhaus jährlich benötigt, enorm. Hält man dagegen, wie viele Menschen so ein Opernhaus eigentlich erreicht und wie viele beispielsweise ein soziokulturelles Zentrum wie die Börse, so stellt man schnell fest, dass die Gelder ungleich verteilt seien. Am 16. April ab 18 Uhr treffen sich Vertreterinnen und Vertreter der freien Szene im „Schimmerlos“ seit langem wieder zum „Jour fixe reloaded“, um neue Vernetzungen anzuregen.
Seit einiger Zeit versuchen sogenannte etablierte Häuser etwas, was die freie Szene seit jeher macht: Sie gehen in die Stadt hinein, versuchen unterschiedliche Communities zu erreichen und etablieren partizipative Projekte. Diese „Soziokulturalisierung der Hochkultur“ ist auch in Wuppertal, bei Opernhaus oder zukünftigem Pina Bausch Zentrum, zu beobachten. Gerne kommen diese Orte auf die freie Szene zu, teilen Ideen, Konzepte, Ressourcen. Schön ist, wenn dies auf Augenhöhe geschieht.
Bei „Songs & Arien“, einer Reihe, deren Initiator und Gastgeber ich sein darf, treffen Sängerinnen und Sänger der Oper auf Singer-Songwriter oder Musikerinnen aus dem Jazz, plaudern mit mir über alles dazwischen und geben persönliche Einblicke. Gemeinsam bauen wir Brücken, reißen Barrieren ein und stehen vor dem universellen Phänomen des künstlerischen Menschen, der andere inspiriert und berührt.
Die immer noch spürbare Trennung von „etablierter“ und „freier“ Kulturszene ist nicht neu. Dennoch ist sie spezifisch für den deutschsprachigen Raum. Dieser hat bekanntermaßen erst spät zu einer nationalen Identität gefunden. Die „Vielstaaterei“ führte zu zahlreichen Orten der Repräsentation in Form von stehenden Häusern an Fürstenhöfen. Heute ist die daraus erwachsene Theaterlandschaft mit festen Ensembles einmalig auf der Welt. Ein Drittel aller Opernaufführungen findet in Deutschland statt. In anderen Ländern ist der Übergang zwischen freier Szene und etablierten Häusern fließender, nicht zuletzt, weil es von beidem weniger gibt. Ensembles finden sich für Produktionen zusammen und gehen, wenn diese abgespielt sind, wieder auseinander.
Wir sollten unsere Kulturlandschaft – gerade auch in Wuppertal – als das sehen, was sie ist: ein einmaliger, inspirierender Reichtum, ein Füllhorn an Möglichkeiten, eine Landschaft mit gemeinsamem Horizont. Was das leidige Geld anbelangt: Es ist gut investiert!