Neuer Podcast Wuppertaler Wendepunkte: „Wir müssen die Energiewende mehr denn je vorantreiben“

Wuppertal · Klimawandel und drohende Gasmangellage: IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Wenge, Markus Hilkenbach, Vorsitzender der WSW-Geschäftsführung, und GWG-Geschäftsführer Oliver Zier sprechen im WZ-Podcast über Herausforderungen und mögliche Lösungen.

 IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Wenge (v.l.), WZ-Chefredakteur Lothar Leuschen, Markus Hilkenbach, Vorsitzender der WSW-Geschäftsführung, und GWG-Geschäftsführer Oliver Zier sprechen über die Herausforderungen und mögliche Lösungen.

IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Wenge (v.l.), WZ-Chefredakteur Lothar Leuschen, Markus Hilkenbach, Vorsitzender der WSW-Geschäftsführung, und GWG-Geschäftsführer Oliver Zier sprechen über die Herausforderungen und mögliche Lösungen.

Foto: Fries, Stefan (fri)

„Es laufen zwei fatale Entwicklungen zusammen“, sagt Michael Wenge, Hauptgeschäftsführer der Bergischen Industrie- und Handelskammer: Schon vor Beginn des Krieges in der Ukraine stiegen die Energiepreise, teilweise politisch gewollt aus ökologischen Gründen. Und dann kam der Krieg hinzu. Es werde eine Gasmangellage geben, befürchtet Wenge, und beruft sich auf Experten und Gutachten.

„Wir müssen die Energiewende mehr denn je vorantreiben“, sagt Markus Hilkenbach, Vorsitzender der WSW-Geschäftsführung. „Wir werden mit Russland nicht wieder beste Freunde werden“, das betrifft die Lieferung von Gas, und der Neubau eines Kraftwerks dauere im Schnitt zehn bis zwölf Jahre. „Wir sind für eine gewisse Zeit gefangen in der Struktur, in der wir sind.“ Deshalb müsse die alternative Energieerzeugung vorangetrieben werden.

„Die letzten sechs Monate haben uns gezeigt, dass ein Thema wieder präsent wird, das lange verschwunden war: Versorgungssicherheit“, sagt Oliver Zier, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Wuppertal. Der Unterbau der Versorgung sei verloren gegangen. „Daraus sollten wir ganz schnell lernen. Denn mit Sicherheit würde die Preisstabilität eine Beruhigung erfahren, oder andersherum: Mit der Unsicherheit geraten die Preise außer Rand und Band.“ Mit Entlastungspaketen werde derzeit „erste Hilfe am Unfallort geleistet“, so Zier. Die Energiewende sei im Grunde eine Win-Win-Situation: Für eine größere Unabhängigkeit und um die Klimaschutzziele zu erreichen.

„Energie war zu selbstverständlich“

Markus Hilkenbach erklärt, warum nicht nur der Gaspreis, sondern auch der Strompreis steigt. „Das hat ganz unterschiedliche Gründe.“ In Europa werden Atomkraftwerke heruntergefahren, in Frankreich beispielsweise, weil die Flüsse nicht genug Wasser für die Kühlung führen, in Deutschland werden sie aus politischem Willen vom Netz genommen. „Außerdem wird der Betrieb von Gaskraftwerken reduziert, weil wir Gas sparen müssen und die Kosten extrem hoch sind.“ In Summe führt das dazu, dass die verfügbare Menge von Strom sinkt und der Preis steigt: der Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage. Die Idee einer Übergewinnsteuer für Energiekonzerne hält Markus Hilkenbach für berechtigt. „Damit würde man nicht marktbedingte Gewinne abschöpfen. Die Frage ist: Wie macht man das, auch rechtssicher?“

„Energie war zu selbstverständlich“, sagt Michael Wenge. „Wir sind nicht in Norwegen, wo sie üppig vorhanden ist. Wir haben Abhängigkeiten geschaffen: Die USA machen riesige Geschäfte mit dem Krieg und verkaufen ihr Fracking-Gas an uns.“ Es wird mit Schiffen nach Europa geliefert. In Deutschland ist Fracking verboten. „Es sollte kein Tabu vor Ideen geben“, findet Markus Hilkenbach, „so werden wir auf Dauer nicht weiterkommen.“

 Derzeit würden neue Gesetze in rasender Geschwindigkeit erlassen, sagt Oliver Zier. Die Umsetzung so vieler neuer Regeln lasse viele an Grenzen stoßen. Sie müssten Hand und Fuß haben. „Außerdem ist wichtig, dass sie sich gegenseitig nicht behindern. Die Fernwärme wurde in der Durchführungsverordnung vergessen.“

Markus Hilkenbach denkt, das auch die Ziele überdacht werden müssen. „Sind es die richtigen Ziele, die wir uns gesetzt haben? Ich glaube, das ist nicht der Fall.“ Würde man den Koalitionsvertrag auf Wuppertal hinunterdeklinieren, beispielsweise in den Bereichen E-Mobilität und Solaranlagen, „kommen wir nicht ansatzweise in die Richtung, das Ziel zu erreichen.“ Bis 2030 müssten jährlich rund 3000 Solaranlagen in Wuppertal neu gebaut werden. „Das ist unrealistisch“, eine „Demotivation. Man fühlt sich schlecht, wenn man nicht nach vorne kommt.“

Dabei liege es nicht an fehlendem Willen: „Ich kenne kein Unternehmen, keinen Energieversorger, keine Stadt, die sagen, sie kümmern sich nicht um das Thema.“ Als Motivation seien Erfolge wichtig, sagt Hilkenbach.

„Im Bergischen haben wir die Technik und die fähigen Köpfe“, sagt Lothar Leuschen, Chefredakteur der Westdeutschen Zeitung. „Wir müssen uns als Gesellschaft anstrengen, damit das richtig in Schwung kommt.“