90 Wuppertaler Jahre Wuppertals Kirchen sind mehr als ein Raum für Gottesdienste
Wuppertal · Im Laufe der Stadtgeschichte wurden einige Bauten entwidmet. Heute bieten sie Platz für Kultur, Kunst und Experimente.
Wuppertal ist bekannt für seine Fülle an Kirchen und protestantischen Glaubensrichtungen. Häufig stehen lutherische, reformierte oder unierte Kirchen direkt nebeneinander. Durch die schwindende Zahl von Gemeindegliedern (heute 91 344 beim evangelischen Kirchenkreis), den Zusammenschluss von Gemeinden und das nachlassende Interesse der oft nur noch auf dem Papier evangelischen Menschen wurden viele Kirchen überflüssig. Rund zwei Dutzend Wuppertaler Kirchen werden heute anders genutzt als ursprünglich. „Es gibt tolle Beispiele für Umnutzungen. Wenn die Gemeindeglieder mitgenommen werden, entsteht dadurch oft eine positive Aufbruchstimmung trotz manchmal schmerzlicher Veränderung“, sagt Superintendentin Ilka Federschmidt.
Bei den Katholiken sieht das etwas anders aus: Da sie von vorneherein weniger Kirchen gebaut hatten, benötigen sie nach wie vor alle für Gottesdienste. Nur die Zookapelle im Zooviertel wurde vor einigen Jahren aufgegeben. „Das war aber keine Kirche im eigentlichen Sinn, sondern ein Raum in einem Privathaus, der als Gottesdienstraum genutzt wurde“, erklärt Pastoralreferent Werner Kleine.
Die Auseinandersetzung mit den eigenen Räumen begann in den 1980er Jahren. Schon damals stellten manche Kirchengemeinden in Wuppertal fest, dass sie langfristig ihre verschiedenen Räume nicht halten können, insbesondere angesichts des Renovierungsbedarfs vieler Kirchen. Die erste Idee war häufig, den Gottesdienstort für andere Zwecke innerhalb der eigenen Gemeinde zu nutzen. So schuf die Gemeinde Gemarke-Wupperfeld mit der Citykirche an der Zwinglistraße Mitte der 1990er Jahre einen Begegnungsort mit Café Komma, Sozialberatung, Eine-Welt-Laden, Seelsorge und Mittagsgebet. Wenig später zog Elberfeld nach und gestaltete die Alte reformierte Kirche zur Citykirche Elberfeld in Trägerschaft des Kirchenkreises um. Zwar finden dort auch heute noch Gottesdienste statt, aber auch viele Konzerte und Lesungen. Ein großer Kaffeebereich wurde abgetrennt und füllt den Ort tagsüber mit Leben. Die Emmauskirche in Cronenberg dient heute als Gemeindehaus, der Verkauf von Gemeindegelände brachte Geld für einen geeigneten Umbau.
Zum wichtigen Kulturort in Wuppertal wurde die Immanuelskirche: Die unter Denkmalschutz stehende Kirche wurde nach dem Zusammenschluss von lutherischer und reformierter Gemeinde 1984 nicht mehr benötigt. Nachdem die Gemeinde bereits über einen Abriss nachdachte, gründeten Bürger einen Verein, der die Trägerschaft übernahm. 1983/84 wurde die Immanuelskirche zum neuen Zweck umgebaut und seitdem fast fortlaufend saniert. Viele Orchester, Solisten und Ensembles schätzen die gute Akustik und kommen gerne auch für CD-Aufnahmen in die Immanuelskirche. Treue und engagierte Bürger kämpfen auch für die Pauluskirche, die als Ort für verschiedene kulturelle Zwecke dient.
Kirche als Tanzschule oder
für Aufzug-Experimente
Andere Kirchen werden heute ganz anders genutzt als ursprünglich geplant. Die denkmalgeschützte Lukaskirche an der Uellendahler Straße etwa ist von außen ohne Turm kaum als Kirche zu erkennen. Dort hat seit Ende der 1990er Jahre ein IT-Unternehmen seinen Sitz. Andere Firmen schätzen die hohen, eleganten Räume entwidmeter Kirchen: Tango und Walzer lernen die Schüler der Tanzschule Asfahl jetzt in der ehemaligen Markuskirche in Lüntenbeck. Als stilvollen Ort für Hochzeitsfotos und Porträts verwendet der Fotograf Malte Reiter die ehemalige Matthäuskirche in Uellendahl: „Wir brauchten eine hohe Decke für das Fotostudio und viel Platz, da bot sich die Kirche an.“ Trotz vieler Probleme und Verzögerungen beim Umbau ist Malte Reiter auch heute noch zufrieden mit der Kirche: „Wir freuen uns jeden Tag über die tollen Räume und unsere Kunden bestätigen uns immer wieder, dass es die richtige Entscheidung war.“ Eine Firma für Aufzugteile hat die Hatzfelder Kirche gekauft, um den Kirchturm als Experimentierfeld für Aufzüge zu nutzen. Passend erscheint auch die heutige Verwendung der Trinitatiskirche in Arrenberg: Dort repariert der Orgelbauer Andreas Ladach alte Orgeln und verkauft sie an neue Interessenten weiter.
Beliebt sind soziale Einrichtungen für die Nachnutzung: Die frühere Barmer Christuskirche dient nun als Seniorenzentrum. In der Wichlinghauser Kirche finden im neuen Stadtteiltreff verschiedenste Veranstaltungen statt. Mit der Diakonie als Träger kommen in die Kreuzkirche in der Nordstadt Nachbarn zur Beratung, ins Café und zu Gruppen. In der früheren Friedenskirche in Cronenberg toben nun Kinder im Kindergarten. Wichtig war und ist den Kirchengemeinden dabei immer eine Nachnutzung, die zur Würde des Raums passt.