Kino „Yesterday“: Wie wäre die Welt ohne die Beatles?

Was wäre, wenn sich nur ein einziger Musiker an sie erinnern könnte? Eine aufregende Idee, aus der „Slumdog Millionär“-Regisseur Danny Boyle eine romantische Musikkomödie strickt.

Er kann sich als einziger Mensch noch an die Musik der berühmten Beatles erinnern und macht ihre Songs zu seinen eigenen Stücken: Himesh Patel als Jack Malik in „Yesterday“

Foto: dpa/Jonathan Prime

Es gibt Filme, die eine solch elektrisierende Idee etablieren, dass man sich als Zuschauer fragt: Verdammt nochmal, warum ist niemand vorher darauf gekommen? „Yesterday“ ist genau so ein Film. Er handelt von der Frage „Was wäre, wenn die ganze Welt die Beatles vergessen hätte und sich nur ein einziger Musiker an sie erinnern könnte?“.

Im Zentrum steht Jack Malik, ein junger Singer-Songwriter, der mit seiner Musik keinen Erfolg hat und sich schließlich entscheidet, die Gitarre an den Nagel zu hängen. Noch in derselben Nacht aber kommt es zu einem mysteriösen, weltweiten Stromausfall, bei dem ein orientierungsloser Bus Jack auf seinem Fahrrad anfährt. Als er später im Krankenhaus aufwacht, hat nicht nur er zwei Zähne verloren, sondern die gesamte Welt jegliche Erinnerung an die Beatles. Das merkt er, als er seinen Freunden „Yesterday“ auf der Gitarre vorspielt - und sie überrascht und begeistert sind. Jack zögert nicht lange: Er gibt die Musik der Band aus Liverpool als seine eigene aus und wird zum weltweiten Superstar.

Die charmante Idee
trägt den Film

Diese Idee in Boyles „Yesterday“ ist nicht nur originell, sie hat auch ein sehr charmantes Potenzial. Die anderen Ausgangsbedingungen stimmen ebenfalls: Das Drehbuch stammt von Richard Curtis, Autor von britischen Megahits wie „Tatsächlich Liebe“, „Notting Hill“ und „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“. Regisseur Danny Boyle gewann mit „Slumdog Millionär“ bereits einen Oscar.

Hauptdarsteller Himesh Patel schließlich hat sich in der britischen Arbeitersoap „Eastenders“ einen Namen erarbeitet und ist jetzt bereit für den Sprung auf die große Leinwand. Und für die beiden größten weiblichen Rollen konnten Lily James aus „Mamma Mia 2“, „Downton Abbey“ und „Cinderella“ sowie „Saturday Night Live“-Superstar Kate McKinnon verpflichtet werden.

Ihnen allen gelingen dann auch hübsche und emotionale Momente, beispielsweise, wenn Jack beim Googeln von „Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ nur auf eine Datingseite für Soldaten stößt - die Beatles sind ja nicht bekannt. Superstar Ed Sheeran hat einen urigen Auftritt, bei dem er Jack rät, aufgrund der einfacheren Vermarktbarkeit aus „Hey Jude“ doch besser „Hey Dude“ zu machen. Wunderbar auch, dass Jacks dunklere Hautfarbe nie für Verwirrungen in der Handlung herhalten muss, sondern stets einfach nur da ist - genau diese Art von beiläufiger Repräsentation bräuchte es im Kino noch viel häufiger.

Gleichzeitig hat „Yesterday“ aber auch einige Schwächen. So geht er zu oberflächlich der Frage nach, ob wirklich Talent oder eben doch Glück und Netzwerke für den Erfolg entscheidend sind. Curtis und Boyle reißen zudem nur hastig an, welcher Preis für Ruhm zu zahlen ist, ohne je tiefer an dieser Frage interessiert zu sein. Hier hatte „Love & Mercy“ über die Beach Boys vor einigen Jahren deutlich mehr zu sagen.

Hinzu kommt, dass die Beatles-Musik in Jacks Händen nur wenig Magie besitzt. Wer zuletzt „Rocketman“ gesehen hat, erinnert sich an die umwerfende Szene, in der Elton John und Songwriter Bernie Taupin „Your Song“ entwickeln. In dieser Sekunde sehen wir als Publikum einen Superstar, der nur noch nicht an der Spitze angekommen ist - ähnlich wie bei den Studio-Aufnahmen von „Bohemian Rhapsody“ im Queen-Film vor einigen Monaten. Jacks Charme aber erschließt sich nicht wirklich. Wer jedoch seine Ansprüche etwas zurückschrauben kann, wird trotzdem knapp zwei charmante Filmstunden erleben - vor allem, weil die Ausgangsidee tatsächlich so stark ist.