Elisabeth Stöppler inszeniert ein zivilisationskritisches Weihnachts-Oratorium Bach als schrilles Spektakel

DÜSSELDORF · „Jesus lebt!“ „Die Liebe höret niemals auf!“ „Frohe Weihnachten!“ Sprüche und fromme Wünsche tragen Chorsänger und Opern-Solisten am Ende von Bachs Weihnachts-Oratorium auf Papptafeln vor sich her und singen munter drauflos: „Jauchzet, Frohlocket!

14 Solisten und zahlreiche Statisten bevölkern die Bühne bei Bachs „Weihnachtsoratorium“ in Düsseldorf.

Foto: Sandra Then

“ Die ungewöhnliche Premiere mündet auf der Bühne der Düsseldorfer Oper in ein lautstarkes Happening. Junge Zuschauerinnen und Zuschauer pfeifen, johlen und skandieren ausgelassen, wie nach einem Popkonzert.

Gehört die Party-Stimmung auch noch zur Inszenierung von Elisabeth Stöppler? Möglich wär’s. Zumal nach all‘ dem, was man an Alltags-Bildern und schrillen Figuren, an Bach-Gesang und hinzugefügten gesprochenen Banal-Texten in lang gedehnten dreieinviertel Stunden an sich hat vorüberziehen lassen.

Ganz schön laut ist diese „Stille Nacht“. Denn die hinlänglich bekannte Evangelien-Geschichte  spielt hier in einem Wohnblock aus Quadern und Rechtecken. Strenggläubigen, Bach-Kennern und Liebhabern von reinem, schwebendem Barock-Gesang ist dies Spektakel nur bedingt zu empfehlen. Jedoch: Das Weihnachts-Oratorium ist „in“. Johann Sebastian Bachs Opus Magnum haben Opernmacher für sich entdeckt. Nach Kassel und Gelsenkirchen ist die Deutsche Oper am Rhein das dritte Haus, das sich dem Stoff des gläubigen Leipziger Thomas-Kantors widmet.

Immerhin 28 Chorsänger, 14 Solisten und die Düsseldorfer Symphoniker stemmen in mittelgroßer Besetzung dieses Opus musikalisch und tragen über manche Längen in den ersten drei Kantaten hinweg. Wohltemperiert, mit teilweise frischen Tempi, leuchtenden Farben und schwebender Präzision – besonders bei Oboen, Klarinetten, Trompeten und Streichern – intoniert das Orchester unter Axel Kober. Der Chor ist Top-Form, klingt mächtig, durchdringend, diesseitig. Wenig innerlich, noch weniger andächtig. Barocken Glanz und noble Gesangslinien entfalten indes einzelne Darsteller: Sopranistin Anke Krabbe (Mutter), der koloraturensichere Countertenor Terry Wey (Der Andere) und die hell strahlenden Tenöre Cornel Frey (Sohn) und Andrés Sulbarán (Arbeiter).

Im Kontrast zur stilgerecht zelebrierten Musik mit den zahlreichen Weinachts-Liedern verwandelt Regisseurin Elisabeth Stöppler, immerhin „Faust-Theaterpreis“-Trägerin, die biblische in eine zivilisationskritische Geschichte unserer Tage, in denen Erlöser-Figuren schnell verherrlicht und rabiat vermarktet werden. Sie erweitert die ursprünglich vier Figuren auf 14. In einem kreisenden Wohnblock tauchen immer wieder Alltags-Typen auf. Der Engel verbirgt sich hinter „Der Andere“ – in schwarzem Existenzialisten-Look und mit aschblonder Andy-Warhol-Perücke.

Zum Zentrum der Vermarktung wird zunächst Maria, die zur Heiligen mit blauem Schleier gekürt wird. Und eine goldgefärbte Babypuppe, in der alle, wie in einer Sekte, plötzlich ihren Erlöser sehen. Der schwarze Engel versteckt die Puppe zunächst an seiner Brust und verteilt sie dann, zigfach kopiert, wie Souvenirs an die Gemeinde. Die einzigen, die sich dagegen aufbäumen, sind Maria und Joseph, die bei der finalen Party weniger jauchzen und frohlocken, sondern wie Aussätzige am Rande stehen.