Kriminalität 15-Jähriger gesteht Tötung von 14-Jährigem in Lünen

Lünen (dpa) - Schock und tiefe Trauer nach der tödlichen Messerattacke an einer Schule in Lünen - und ein Haftbefehl wegen Mordes gegen den mutmaßlichen Täter.

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Am Tag nach dem Tod eines 14 Jahre alten Achtklässlers an der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule in Lünen hat die Stadt am Rande des Ruhrgebiets noch lange nicht begriffen, warum der 15-jährige Tatverdächtige am Dienstagmorgen kurz nach 8.00 Uhr auf einem Flur der Schule auf den Mitschüler eingestochen hat.

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Der 15-Jährige sitzt jetzt in Untersuchungshaft und soll weiter befragt werden. Unzählige Kerzen und Blumen am Schulzaun zeigten das Mitgefühl. Sie sind aber auch Ausdruck der Ratlosigkeit angesichts der brutalen Tat.

Bluttat an Gesamtschule: Eltern und Schüler unter Schock
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Der 15-Jährige soll sein Opfer mit einem Messerstich in den Hals getötet haben. Der Jugendliche war mit seiner Mutter zu einem Gespräch mit einer Sozialarbeiterin in die Schule gekommen.

Der Junge mit deutschem Pass und kasachischen Wurzeln galt als aggressiv und „unbeschulbar“, er war zwischenzeitlich an einer anderen Schule untergebracht. Weil der Mitschüler angeblich mehrfach provozierend zu seiner Mutter geschaut habe, habe er zugestochen, sagte er aus. Zuvor habe es Streit gegeben. Die Mutter des Tatverdächtigen musste die Tat mit ansehen.

Nach der tödlichen Attacke wird auch über Waffenbesitz unter Minderjährigen diskutiert. Die Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen fordert eine spezielle Statistik. Gerade 15 bis 25 Jahre alte Männer trügen häufiger zum Selbstschutz ein Messer bei sich, sagte GdP-Landeschef Arnold Plickert. Man gehe davon aus, dass „jeder ein Messer dabei hat“. Eine entsprechende Statistik könne Auswirkungen auf das Training der Polizisten und ihr Verhalten bei Einsätzen haben.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer sieht in dem Geschehen von Lünen einen Ausnahmefall. Alle Statistiken zeigten, dass Gewaltdelikte an Schulen und auch Tötungsdelikte von Jugendlichen extrem rückläufig seien. Daran werde auch die Tat in Lünen nichts ändern, sagte Pfeiffer. „Egal welche Statistik wir nehmen: Wir gelangen zu der Einschätzung, dass Tötungsdelikte durch junge Menschen eine extreme Ausnahme werden.“ Im aktuellen Fall werde man vermutlich sehr auf den individuellen familiären Hintergrund des mutmaßlichen Täters achten müssen. „Mit der Schule dürfte das wenig zu tun haben, eher mit dem Elternhaus“, sagte Pfeiffer.

Auch laut Landeskriminalamt ist Gewalt an Schulen in NRW zwischen 2011 und 2016 um mehr als 30 Prozent zurückgegangen. In der Kriminalstatistik für NRW, das bevölkerungsreichste Bundesland, werden für 2016 insgesamt 2841 Körperverletzungen an Schulen aufgeführt.

Der Deutsche Lehrerverband fordert dennoch eine breitere Unterstützung für den Kampf gegen Gewalt an Schulen. „Schule alleine und auf sich gestellt kann wenig bewirken“, sagte der Präsident Heinz-Peter Meidinger. Man könne mit Ordnungsmaßnahmen arbeiten. Es sei aber klar, dass Eltern mit den Lehrern an einem Strang ziehen und die Politik den Lehrern in solchen Fällen Rückendeckung geben müssten.

In der Gesamtschule versuchten am Mittwoch Schüler und Lehrer gemeinsam, die Trauer über den gewaltsamen Tod des Mitschülers zu verarbeiten. Der Unterricht begann zur gewohnten Zeit. „Den unterrichtlichen Rahmen möchten wir als Schulgemeinde nutzen, um gemeinsam das Erlebte und Geschehene aufzuarbeiten“, erklärte die Schule auf ihrer in Trauerfarben gehaltenen Website.

Schüler und Lehrer hatten bereits am Dienstagabend Blumen niedergelegt und Kerzen aufgestellt, im Rathaus konnten Menschen aus Lünen ihre Trauer in einem Kondolenzbuch in Worte fassen. Auch NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) besuchte die Schule.

In einem an die Eltern gerichteten Text betont die Schulleitung, dass die vertrauten Schulstrukturen den Kindern Halt gäben. Außerdem stünden Schulpsychologen und Notfallseelsorger jederzeit für Gespräche und andere Hilfen bereit.

„Die Stadt steht unter Schock“, sagte Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns am Mittwochmorgen dem Hörfunksender WDR2. Die Betreuung der Schüler sei ein Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit der Tat. „Wir müssen überlegen, ob dieses Hilfsangebot ausreicht.“

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange wies darauf hin, dass sowohl die Opferfamilie als auch der minderjährige Tatverdächtige Anspruch auf einen behutsamen Umgang mit dem Fall in der Öffentlichkeit hätten. „Für mich geht es jetzt darum, den Betroffenen jegliche Unterstützung zukommen zu lassen und mit professioneller Polizeiarbeit alle Hintergründe zur Motivlage umfassend aufzuklären“, sagte Lange.