Zehntausende Tiere ausgesetzt Aal-Bestand im Rhein schwindet
Ginsheim-Gustavsburg/Mainz (dpa) - Wegen stark gesunkener Bestände sind im Rhein rund 50 000 junge Aale ausgesetzt worden. Ehrenamtliche Helfer aus Angelvereinen waren dafür in Hessen auf einer Strecke von etwa 107 Kilometern tätig, wie das Regierungspräsidium in Darmstadt mitteilte.
Die jungen Aale sind etwa 20 Zentimeter lang und neun bis elf Gramm schwer. Die Tiere werden nach Angaben der Behörde voraussichtlich fünf bis 20 Jahre im Rhein leben, bevor sie durch den Atlantik bis in die Karibik wandern, um sich fortzupflanzen.
Die Aalbestände im Rhein sind in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch gesunken. Der einst reichlich im Strom vorkommende Fisch ist vom Aussterben bedroht. Das hat ganz unterschiedliche Gründe, wie Experte Lothar Kroll vom Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz in Mainz erklärte. Die Ursachen liegen teils Tausende Kilometer entfernt. Vermutlich liege der Rückgang an einer in Zyklen vorkommenden Pendelbewegung des Golfstroms im Atlantik. Wenn der Strom eher Richtung Island und Grönland pendele, kämen weniger Aale nach Europa. Zuletzt sei der Abwärtstrend zumindest gestoppt worden, allerdings auf niedrigem Niveau.
Geboren wird der Europäische Aal (Anguilla anguilla) in der Sargassosee im Atlantik, östlich von Florida, wie Kroll erklärte. Dort beginnt ein langer Weg, getrieben von Strömungen landen Aale an europäischen Küsten und wandern flussaufwärts - etwa ins Rheinsystem. Erst im Juni hatten Forscher vermeldet, dass sich Babyaale in Küstennähe am Erdmagnetfeld und am Rhythmus der Gezeiten orientieren.
Seit rund einem Vierteljahrhundert sinkt die Zahl der in Europa ankommenden Jungtiere - Glasaale genannt - stetig. „Es ist dramatisch“, sagte Kroll. Es kämen nur noch wenige Prozent an im Vergleich zur Zeit vor 1980.
Laut Regierungspräsidium Darmstadt gibt es seit den 1970ern einen europaweiten, enormen Bestandsrückgang. 2007 trat wegen des Aal-Schwunds eine EU-Verordnung in Kraft. Sie verpflichtete die Länder unter anderem, Aalmanagement-Pläne aufzustellen mit Maßnahmen zur Erhaltung der Art.
Solche Aktionen wie die jetzige in Hessen seien teuer, sagte Kroll. Die Fische müssten von nur noch wenigen Betrieben etwa in Frankreich und Großbritannien gekauft werden. Diese fingen kleine Aale und päppelten sie in Aquakulturen auf, bis sie Bleistiftgröße erreicht hätten und verkauft würden. Weil es so wenige Jungaale gebe, seien die Preise hoch. Eine solche Aktion könne mehrere Zehntausend Euro kosten. „Außerdem muss man sich fragen, ob 50 000 Stück den Niedergang aufhalten können.“
Kroll zufolge machen dem Aal neben dem pendelnden Golfstrom noch andere Faktoren zu schaffen. Wegen ihrer durchschnittlichen Länge von 70 bis 90 Zentimetern sind die Tiere besonders anfällig für Turbinen von Wasserkraftanlagen. Außerdem setze ihnen ein aus China eingewanderter Parasit namens Blasenwurm zu. Der setze sich in die Blase, vermutlich funktioniere dann der Druckausgleich im Körper nicht mehr richtig.
Und der Aal sei mit seinem hohen Fettgehalt empfindlich für Schadstoffe im Wasser. Zu Beginn der Laichwanderung sei ein Drittel der Körpermasse Fett, sagte Kroll. „So etwas kennt man von keinem anderen Fisch.“ Das mache allerdings fettlösliche Schadstoffe zu einem großen Problem für Aale, beispielsweise PCB oder Dioxine. Diese Schadstoffe lagerten sich im Fett an und würden nicht abgebaut.