Ab ins Beet! Großstädter auf dem Gemüseacker
Münster (dpa) - Vom Balkon raus aufs Feld: Mit diesem Angebot locken zwei Unternehmerinnen Großstädter an die frische Luft. Die beiden Frauen vermieten Beet-Stücke, auf denen Hobbygärtner Kräuter, Kartoffeln oder Kohlrabi anbauen können.
Ein Ortsbesuch.
Sie heißen „Prinzenglück“, „Strawberry Fields“ oder „Zaubergarten“. Die Rede ist nicht etwa von fernen märchenhaften Destinationen, sondern von ländlichen Gemüsebeeten, auf denen Mangold, Fenchel oder Zucchini sprießen. Das Besondere: Die bodenständigen Parzellen befinden sich auf einem Feld, das sich jeweils mehrere Dutzend Hobbygärtner teilen - in der Nähe von Großstädten wie Berlin, Dortmund, Köln, aber auch in Münster.
Es ist Spätnachmittag auf einem Acker am Stadtrand von Münster. Rund 15 Menschen stapfen mit Gummistiefeln, Harke und Spaten bewaffnet über die trockene Erde, lockern hier den Boden auf, wässern dort einen Salatkopf. Am Rand steht Landwirt Jörg Schulze Buschhoff an seinen Transporter gelehnt, ein paar Tütchen mit Saatgut in der Hand, und beobachtet das Geschehen auf seinem Feld.
Der 42-Jährige hat vor der Saison, die bis Oktober läuft, auf jeder der 50 Parzellen Gemüse- und Kräutersorten gesät und gepflanzt, als Starthilfe für die Laien-Gärtner. Die Idee zu der modernen Version der Schrebergärten stammt aber von zwei jungen Frauen aus Bonn: Natalie Kirchbaumer (29) und Wanda Ganders (30). „Wir haben uns gefragt: Warum kann man nicht einfach selbst das anbauen, was man isst?“, erklärt Ganders. „Aber wenn man in der Stadt wohnt, ist das eben nicht so einfach.“
Von Landwirten aus ganz Deutschland mieteten die beiden Betriebswirtinnen im vergangenen Jahr zum ersten Mal brachliegende Felder. Darauf legten die Bauern in ihrem Auftrag Gemüsegärten in verschiedenen Größen an. 179 Euro kostet ein kleines Feld, 2 Meter breit, 25 Meter lang.
Das wäre für die „Wühlmäuse“ eindeutig zu wenig. Für Emma (9), ihre Schwester Charlotte (5) und Freundin Marlena (6) hat Mutter Astrid Brand gleich ein doppelt so breites Stück gemietet. Die Mädchen schleppen eilig viel zu schwere Gießkannen von dem wuchtigen Wassertank zu ihrem Beet-Stück, um zu sehen, welche Pflanzen noch Wasser vertragen könnten. Gießen ist neben dem Unkrautjäten Emmas Spezialität: „Davon kriegt man Muckis“, sagt das blonde Mädchen, dessen T-Shirt schon ein paar Wasserspritzer abbekommen hat.
Aber Astrid Brand drängelt. Sie wollte schon längst zu Hause sein. Die Gartenpflege nimmt ganz schön viel Zeit in Anspruch, die die 42-jährige Lehrerin eigentlich nicht hat. „Als es so trocken war, standen wir alle zwei Tage abends mit der Taschenlampe auf dem Feld und haben gegossen“, sagt sie, während sie barfuß über ihr kleines Gartenreich spaziert. „Aber es macht einfach auch richtig Spaß.“ Immerhin haben die Wühlmäuse schon ihre ersten Salatköpfe geerntet.
Das „Prinzenglück“ hat Designerin Katja Hessler ihrem Freund zu Weihnachten geschenkt. Liebevoll hat sie an kleinen Bambusstöckchen Wäscheklammern aus Holz befestigt, auf denen die Bezeichnungen der Kräuter und Gemüsesorten zu lesen sind. Während die 32-Jährige auf ihrem schmalen Gartenstück harkt, liegt Hund Jappa geduldig vor dem grünen Bauwagen, aus dem sich die Gärtner Gerätschaften ausleihen können. „Es ist toll, zu sehen, wie alles wächst“, sagt Hessler. Ihre langen braunen Haare trägt sie in einem praktischen Dutt.
Mit den „Wühlmäusen“ nebenan hat Hessler schon Freundschaft geschlossen. So ist das hier eben: Irgendwann kennt man sich. „Hier hängen alle möglichen Menschen rum, Spießer und Tätowierte, Leute, die sich so nie begegnen würden“, erzählt eine Kleingärtnerin. Auch das macht für die Städter den Charme der grünen Insel aus.
Den Erfinderinnen des Projekts „Meine Ernte“ soll's recht sein. Ihr Konzept ist beliebt: „In vielen Städten gibt es schon Wartelisten“, sagt Wanda Ganders. Am längsten müssen Hobbygärtner übrigens in Berlin auf ihren Beet-Platz warten.