Absinth-Streit: Giftereien um die „Grüne Fee“
Um den legendären Absinth ist ein heftiger Streit entbrannt: Schweizer wollen den Namen geografisch festlegen lassen. In Frankreich gibt man sich darüber empört.
Pontarlier. Peter Fuss ist in Pontarlier ein geachteter Mann. Der Heidelberger hat 350 Sorten Absinth im Angebot und nimmt regelmäßig an den „Absinthiades“ teil, einem Wettbewerb für Absinth, der in dem französischen Städtchen jedes Jahr im Herbst ausgetragen wird.
Mehrere seiner Kreationen, die er in Frankreich und der Schweiz herstellen ließ, haben schon erste Preise gewonnen, darunter auch der erste Jahrgangsabsinth. Dieses Jahr hat Fuss mit den beiden eingereichten Sorten „Alabaster de Lune“ und „Hapsburg — La Magnifique“ Gold und Bronze gewonnen.
Nicht weniger als drei Jurys mit je 24 Teilnehmern bewerteten die eingereichten Sorten per Blinddegustation. Dass ausgerechnet ein Deutscher jetzt schon zum dritten Mal in Folge mit dem französischen „Nationalgetränk“ Gold gewonnen hat, ist für die Lokalmatadore in Pontarlier im französischen Jura schwer zu verkraften.
Doch schwerer wiegt ein Streit mit den Destillateuren aus dem nahe gelegenen Val de Travers im Schweizer Kanton Neuenburg. Erstmals waren diese beim Wettbewerb nicht vertreten — sie waren schlicht ausgeladen worden.
Hintergrund ist, dass sie die französischen Bezeichnungen „Absinthe“, „Fée Verte“ („Grüne Fee) und „La Bleue“ („Die Blaue“) als geschützte geografische Angabe für sich reklamieren. Sie berufen sich darauf, dass die Rezeptur für den legendären Kräuterschnaps im 18. Jahrhundert im Val de Travers entstand.
Den französischen Kollegen in Pontarlier stößt dieses Gebaren sauer auf. „Absinthe“ sei die fran- zösische Be- zeichnung für Wermut und die könne nun einmal niemand für sich reservieren.
Absinth ist eine Legende. Dem angeblichen Zauber der „Grünen Fee“ waren zahlreiche Künstler im Paris des 19. Jahrhunderts verfallen. Bei Künstlern wie dem Schriftsteller Oscar Wilde und den Malern Paul Gauguin und Henri de Toulouse-Lautrec soll er äußerst beliebt gewesen sein.
Wegen der angeblichen Folgen übermäßigen Konsums war Absinth 1915 zunächst in Frankreich verboten worden, Deutschland folgte dann im Jahr 1923. Seit 1998 wird in vielen europäischen Staaten wieder Absinth verkauft.
Allerdings räumten Forscher später mit dem Mythos auf. Nicht das Nervengift Thujon sei für die legendäre Wirkung verantwortlich, sondern allein hochkonzentrierter Alkohol mache den Absinth so wirkungsvoll. Die psychoaktive Wirkung sei ein reines Märchen.
Dem heute wieder in Mode gekommenen Absinth war auch lange nachgesagt worden, er enthalte ein starkes Gift, das Halluzinationen oder epileptische Anfälle auslöse und unter anderem den niederländischen Maler Vincent van Gogh dazu gebracht habe, sein Ohr abzuschneiden.
Was im Absinth drin sein darf und was nicht, haben die Schweizer schon 2005 mit einer eigenen Definition für sich entschieden. Doch es gab Einsprüche. Und auf die weitergehende Initiative ihrer Kollegen aus dem Val de Travers reagierten selbst viele Schweizer Hersteller mit Unverständnis. Sie glauben, dass man einen Gattungsbegriff nicht schützen kann.
Auf Betreiben des französischen Spirituosenverbandes habe die Europäische Kommission vorgeschlagen, eine eigene Begriffsbestimmung für „Absinth“ in die europäische Spirituosenverordnung aufzunehmen, sagt Werner Albrecht, Experte im Bundesernährungsministerium. Berlin hoffe, dass die EU dem Vorschlag Anfang Dezember zustimme.
Peter Fuss jedenfalls findet den Vorstoß der Hersteller aus dem Val de Travers schlicht „lächerlich“. Es komme in Schottland auch niemand auf die Idee, den Begriff „Whisky“ zusätzlich schützen zu lassen.