Hippie-Hauptstadt wird prüde
San Francisco droht den Nudisten mit Geldstrafen.
San Francisco. In Amerikas liberaler Hochburg wird es bald zugeknöpfter zugehen. Ausgerechnet in San Francisco, wo die Hippies einst den „Sommer der Liebe“ feierten und die Schwulenbewegung in Gang kam, soll ein Nacktheitsverbot Gesetz werden.
Mit knapper Mehrheit stimmten elf Stadtverordnete am Mittwoch einem Entwurf zu, wonach entblößte Genitalien auf Straßen, Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln tabu sind. Einigte Nudisten kamen gleich zur Sache: Mitten in der Sitzung ließen sie aus Protest die Hüllen fallen. Beamte verteilten Handtücher. Ein nacktes Durcheinander, wie man es selbst in San Francisco selten sieht.
Es seien einfach zu viele Nackedeis auf der Straße, lamentierte der schwule Stadtverordnete Scott Wiener in der Sitzung. Fast täglich würden sich Nudisten zur Schau stellen. Auf Plätzen und Straßen, wo Familien einkaufen und Touristen bummeln gehen. „Die öffentliche Nacktheit geht einfach zu weit“, erklärte Wiener, der damit genügend Kollegen im Stadtrat überzeugte.
Tatsächlich gibt es bei vielen Anlässen viel zu sehen. Beim jährlichen „Bay To Breakers“-Volkslauf tragen Dutzende Läufer nichts außer Socken und Schuhe. Daran will Wiener auch nichts ändern. Bei besonderen Feiern und Straßenparaden will die Stadt ein Auge zudrücken. Brüste dürfen weiter gezeigt werden.
Vor einem Jahr setzte sich Wiener bereits mit einer Vorschrift durch, dass sich Nackte nicht einfach auf Parkbänke oder Stühle in Cafés setzen dürfen. Aus hygienischen Gründen müssen ein Handtuch oder eine ähnliche Unterlage benutzt werden.
Die neue Vorschrift geht nun weit darüber hinaus: Keine entblößten Genitalien oder Hinterteile auf Bürgersteigen, Straßen, Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. 100 Dollar Strafe (etwa 78 Euro) beim ersten Verstoß, danach wird es noch teurer. Die Verordnung soll im Februar 2013 in Kraft treten. Sie muss zuvor eine zweite Abstimmung durchlaufen und vom Bürgermeister unterzeichnet werden.
Dutzende Nudisten haben schon protestiert, natürlich ohne Kleidung. Nach einer nackten Demonstration vor dem Rathaus im Oktober reichte eine Gruppe in der vorigen Woche vorsorglich Klage ein. „Nacktheit fällt unter das Recht auf freie Meinungsäußerung“, sagte ihre Anwältin Christina DiEdoardo.
Das habe nichts mit „unsittlicher Entblößung“ zu tun. „Statt Nudisten zu vertreiben, soll die Polizei lieber gegen die Raucher auf der Straße vorgehen“, wetterte Dean Whitney. „Leute sterben nicht an Nacktheit, aber durch Passivrauchen.“