Ausbruch in Krefeld: Vier Wärter als Fluchthelfer?

Das dubiose Verschwinden eines Häftlings in Krefeld beschäftigt jetzt den Rechtsausschuss.

Krefeld. Nach der mysteriösen Flucht eines Bankräubers aus der Krefelder Untersuchungshaft ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen vier Gefängniswärter. Da nicht auszuschließen ist, dass ein Justizbeamter dem 38-jährigen Rahim Direkci zur Flucht verholfen hat, bestehe der Verdacht der Gefangenenbefreiung, sagte NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) am Donnerstag bei einer Sondersitzung des Rechtsausschusses im Landtag. Die Wohnungen der Bediensteten waren durchsucht, aber kein Beweismaterial gefunden worden. Alle vier meldeten sich krank.

Die Ermittler gehen davon aus, dass sich der entflohene Häftling noch in Deutschland aufhält. Dafür spricht ein Fax, das am späten Abend des 16.Oktober bei der Justiz eingegangen war und über das unsere Zeitung exklusiv berichtet hatte. Nach Angaben der Ministerin war es aus einem deutschen Call-Shop verschickt worden - von wo genau, ließ sie offen. Eine Mitarbeiterin des Telefonladens habe Direkci auf einem Foto als den Versender des Papiers wiedererkannt. Auf der Notiz, die die Handschrift des 38-Jährigen trage, hatte er unter anderem eine mildere Strafe und die anschließende Abschiebung in seine türkische Heimat gefordert. Dann werde er sich stellen.

SPD und Grüne bemängelten, dass es Stunden gedauert habe, bis die Gefängnisleitung die Polizei alarmiert habe. Der Gefangene hatte seine besonders gesicherte Stahlzelle um 18 Uhr verlassen und sollte bei einem Mithäftling eingeschlossen werden. Dies ist aber offenbar nicht passiert. Das Verschwinden Direkcis fiel erst um 20.30 Uhr auf.

Justizbeamte riefen zunächst Verstärkung aus eigenen Reihen und suchten dann, so die Justizministerin, innerhalb und außerhalb der Anstalt nach dem Mann. Die Polizei informierten sie erst um 0.20 Uhr. Diese sei um 1 Uhr eingetroffen. Da war Direkci aber offenbar längst auf der Flucht. "Von ihm war bekannt, dass er sich geschickt verstecken kann", nannte die Ministerin als Erklärung für die lange Suche der Justizbeamten, die Mülltonnen entleerten und Deckenverkleidungen öffneten.

"Das ist ein Stück aus dem Tollhaus", sagte Ralf Jäger (SPD) nach der Sondersitzung. "Ich frage mich, wie sich ein Häftling in Luft auflösen kann." Die Ministerin erinnerte an einen ähnlichen Fall in Aachen, wo ein Gefangener ebenfalls spurlos verschwunden war. Nach Tagen hatte ein Wärter die Befreiung bestanden.

Die Justizministerin gerät zunehmend in Bedrängnis. Erst der Foltermord im Siegburger Gefängnis, wo die Überbelegung noch immer nicht in den Griff gebracht worden ist. Und nun das rätselhafte Verschwinden eines Gefangenen in Krefeld, das viele Fragen offen lässt. Im Rechtsausschuss machte die Ministerin keine glückliche Figur. Zum entscheidenden Aspekt sagte sie nichts: Warum wird die Polizei erst gerufen, nachdem ein Häftling bereits seit Stunden vermisst wird? Dafür wird jemand die Verantwortung tragen müssen.