Verhalten: Über das Gerangel der Geschlechter

Was Frauen und Männer trennt, sind nicht nur Kleinigkeiten. Beim Tischdecken oder Putzen zeigt sich das. Oder im Badezimmer.

Man kann Bücher über die Unterschiede zwischen Mann und Frau lesen, Psychologen dazu befragen oder lebenserfahrene Greise zu Rate ziehen. Man kann aber auch an einem sonnigen Herbsttag in einem Biergarten hocken und die Ohren spitzen.

Der etwas zu laute, etwas zu sehr gebräunte Büromensch am Tresen hat für seine vier Mitarbeiter und sich selbst Brezeln geordert. Und nun muss er beobachten, wie die Biergärtnerin ihm jede davon einzeln und seelenruhig auf einen Teller legt. Und das auch noch mit Serviette. Leicht genervt meint er: "Das ist ja hier wie bei Muttis Kaffeekränzchen - immer alles hübsch gedeckt."

Man hört es und grinst. Man findet den Mann noch immer etwas zu laut und zu sehr gebräunt, doch gibt es plötzlich ein geheimes Band zwischen diesem Anzugträger und einem selber. Ein Band, das alle Männer für Sekunden zur verschworenen Gemeinschaft machen kann. Zumindest alle Männer, denen früher das ewige Kaffeetischdecken bei Muttern mit den zierlichen Tellern, den Löffelchen und Zuckerdöschen, den albernen Sets und Deckchen ebenfalls auf den Geist gegangen ist.

Beim Kaffeetrinken mag es ja noch angehen. Aber wenn man nach Hause kommt mit einem Bärenhunger, der nach sofortiger Bekämpfung schreit, dann kann einem die Bitte der Frau, doch schon mal draußen auf dem Balkon den Tisch zu decken, und zwar möglichst mit der blauen statt der roten Tischdecke, unmenschliche Disziplin abverlangen.

Haben denn Frauen nie richtigen Hunger? Waren sie schon immer so? Vermutlich ja: Man sieht sie regelrecht vor sich, die Steinzeit-Dame, die ihrem von zehrender Jagd zurückgekehrten Höhlenabschnittsgefährten die blankgescheuerte Schieferplatte entgegenhält: "Hier bitte, Schatz, nimm die und friss nicht wieder aus den Händen."

Und mit dem Essen hört es ja noch längst nicht auf. Eingetrocknete Milchflecken auf dem Küchenfußboden zum Beispiel, solche von der fiesen Sorte, die jede Staubfussel anziehen und immer schwärzer werden: Wie gehen die Geschlechter damit um, wenn Mama oder Schwiegermutti zu Besuch kommt?

Männer halten kurzerhand den Zeigefinger unter den Wasserhahn oder benetzen mit Spucke ein Papiertaschentuch, um alsbald - und äußerst effizient - die zwei störenden Flecken wegzuwischen. Und das mit Triumph im Blick, weil durch den minimal-invasiven Eingriff die Küche wieder viel sauberer wirkt.

Doch Lob bleibt aus. Denn Frauen wissen das keineswegs zu schätzen. Ihnen geht es gar nicht um einen sauberen Boden, wenn ihre Mutter anrückt, sondern um ein reines Gewissen. Da hilft es wenig, wenn die Herren argumentieren, dass ein komplettes Wischen des Küchenbodens dessen optische Sauberkeit allenfalls verdoppelt, aber den zehnfachen Zeitaufwand erfordert. Ein absurdes Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag.

Doch Frauen beeindruckt so was nicht. Und während sie im Bad verschwindet, wischt der Mann mit grimmigem Blick noch schnell die Küche.

Überhaupt das Bad. Anlass jedes dritten Ehestreits. Ungelüfteter Mief. Umherliegende Socken. Verrutschte Badematten. Niemals korrekt geschlossene Zahnpasta-Tuben - vom auslaufenden Duschgel ganz zu schweigen. Und überall Haare: im Waschbeckensieb, auf dem Toilettensitz und auf den teuren Bodenkacheln. Haare, in die Mann sich mit seiner Frau leicht kriegen kann. Doch all das wäre halb so schlimm.

Wenig aber vermag die Geschlechter so sehr zu trennen wie die Unmenge an Zeit, die in Bädern verschwindet. Regelrechte Bermuda-Dreiecke für knappe Zeit sind sie. Frauen, die "nur noch kurz ins Bad" verduften, riechen hinterher zwar noch aparter, doch was ist dadurch gewonnen mit Blick auf die halbe Stunde, die nun vorüber ist. Rätselhaft verstrichen. Geheimnisvoll vertickt. Schon dafür, was Männer in fünf Minuten erledigen (Toilettengang, provisorisches Trimmen der Bartstoppeln und Schnäuzen der Nase), bräuchten Frauen eine Viertelstunde - und dabei müssen sie sich nicht einmal rasieren, zumindest nicht die Wangen und das Kinn.

Was sonst noch in Bädern geschieht, nachdem die Damen sie betreten haben, bleibt Männern ein Mysterium. Ein weites Land. Manches Mal ein Scheidungsgrund. Aber das ist jetzt auch wieder übertrieben. Finden Frauen.