Adele auf dem Weg zum Weltstar
Berlin (dpa) Schön, wenn sich alle mal einig sind: Adele Laurie Blue Adkins, kurz Adele, ist ein Riesentalent, sie ist nett und hat mit „21“ ein tolles Popalbum vorgelegt.
„Die Mainstream-Platte des Jahres“ jubelt bereits im Januar der Musikkritiker einer deutschen Tageszeitung für kluge Köpfe. „Sie allein ist heute Soul“, staunt ein anderer Pop-Rezensent. Der rock-orientierte „Rolling Stone“ bewundert die „fabelhafte Songwriterin“, der altehrwürdige Sender BBC nennt die junge Londonerin „schlicht brillant“. Und die Fans, auf deren Kaufverhalten es schließlich ankommt? Auch sie finden Adele offenbar klasse.
In Großbritannien und in Deutschland schoss ihr zweites Album direkt an die Spitze der Verkaufscharts, die Single „Rolling In The Deep“ ist der Radio-Hit der Stunde. Den beiden Grammys von 2009 dürften weitere folgen, der Weg zum Weltstar ist angesichts dieser so eingängigen wie anspruchsvollen Popmusik wohl vorgezeichnet.
Adele hat am britischen Pop-Institut gelernt, sich dort nach eigener Aussage aber „nur gelangweilt“. Im „Spiegel Online“-Interview macht sie außerdem klar: „Ich bin nicht so ein debiles Modepüppchen, dem man diktiert, was es anzieht und was es essen darf.“ Sie wirkt selbstbewusst, aber ohne Arroganz: In ihrem Blog präsentiert sich Adele als „Girl Next Door“, das sich mit staunenden Augen durch Paris eskortieren lässt und den immensen Erfolg gar nicht fassen kann.
Gerade mal 19 war Adele, als sie vor knapp drei Jahren quasi aus dem Nichts die entsprechend betitelte Debütscheibe „19“ herausbrachte. Die passte schön in den britischen Ladys-Boom um Kate Nash, Lily Allen, Amy Winehouse oder Duffy, lieferte mit der Liebeskummer-Ballade „Chasing Pavements“ einen Riesenhit ab und wurde am Ende weltweit rund drei Millionen Mal verkauft. Anstatt sich danach wie einige andere der genannten Damen als Skandalnudel zu gefallen, zog sich die eher pausbäckig-bürgerliche Adele zurück und feilte an einem Nachfolge-Album die Weltkarriere fest im Blick.
Für diesen Ehrgeiz spricht die professionelle Produktion von „21“ - erneut nach ihrem Alter zum Zeitpunkt der Aufnahmen benannt - mit zwei Schwergewichten im Hintergrund: Das Album entstand in Malibu, Kalifornien, im Studio von Rick Rubin (Johnny Cash, Metallica, Red Hot Chili Peppers) sowie in London bei Paul Epworth (Bloc Party, Plan B). Vor allem die Wahl des Heavy-Metal- und Countryrock-Produzenten Rubin verblüfft, denn ein Faible für britischen Soul-Pop war ihm bisher nicht nachgesagt worden.
Auch Adele hatte zunächst ihre Zweifel, „aber wenn Rick Rubin eines Morgens anruft und vorschlägt, gemeinsam ein Album aufzunehmen, sagst du einfach zu, wenn du noch alle Sinne beisammen hast. Denken kann man dann später noch.“ Zwar lobt sie den legendären US-Produzenten dafür, „dass ihm die Charts total egal sind“. Die Musik auf „21“ ist gleichwohl gefälliger Radiopop, der vor allem von Adeles großer, fast schwarzer Stimme lebt.
Mit diesem souligen Organ meistert die inzwischen 22-Jährige jede Herausforderung technisch perfekt und zugleich voller Emotion: einen gospel-getränkten Song wie „Rolling In The Deep“ ebenso wie das wuchtig groovende „Rumour Has It“, melodischen Pianopop („Take It All“) ebenso wie sentimentale Streicherballaden („Turning Tables“).
Das Album enthält auch wieder eine überraschende und überaus gelungene Coverversion: Hatte Adele auf dem Debüt noch Bob Dylans „Make You Feel My Love“ gefühlvoll interpretiert, so gibt sie nun den „Love Song“ von The Cure als akustischen Bossa nova.
Alles so ähnlich wie auf dem ersten Album also, nur noch etwas ausgereifter. Adele gibt freimütig zu, dass die Produktion diesmal „ein Drahtseilakt“ war: Einerseits wollte sie „nicht die Menschen verprellen, die mein Debütalbum gekauft haben, (...) aber andererseits will ich mich auch weiterentwickeln als Musikerin“. Von manchen behaupteten Vorbildern wie Reibeisenstimme Tom Waits oder Hip-Hop-Champion Kanye West hört man in den elf Songs zwar nichts, aber als gut gemachter Mainstream-Pop funktioniert Adeles „21“ perfekt.