Alice Schwarzer als Zeugin im Spendenprozess

Berlin (dpa) - „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer macht sich Vorwürfe: Sie spendete einem Berliner Frauennothilfeverein eine halbe Million Euro - im Vertrauen darauf, dass mit den Geldern gewaltbedrohte Mädchen und Frauen unbürokratisch unterstützt werden.

Doch die Sache ging schief.

Der frühere Vereinschef von Hatun & Can muss sich seit Monaten wegen Betrugs vor dem Berliner Landgericht verantworten. Am Dienstag betrat Schwarzer - ganz in Schwarz - als geladene Zeugin den Gerichtssaal.

Das Geld hatte die Frauenrechtlerin in einer Prominentenausgabe der RTL-Show „Wer wird Millionär“ im September 2009 gewonnen. Knapp drei Stunden schilderte die Journalistin nun dem Gericht, wie sie Gutes tun wollte. „Ich hätte länger nachdenken sollen“, sagte die 68-Jährige. Ihr Resümee am Rande des Prozesses: „Jeder Missbrauch verhindert Hilfe für die, die es nötig haben.“ Weil sie auch bei einem Treffen mit dem Verein keine ausreichende Auskunft über die Verwendung der Gelder bekommen hatte, brachte sie mit ihrer Strafanzeige im Dezember 2009 die Ermittlungen ins Rollen.

Der 42-jährige Vereinschef, der sich für öffentliche Auftritte einen Decknamen zulegte, sitzt seit knapp einem Jahr in Untersuchungshaft. Am Dienstag erschien er mit einem RTL-Shirt im Gerichtssaal 537. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er den Verein Hatun & Can 2006 nur gründete, um sich zu bereichern. Nach dem Ehrenmord an der Deutsch-Türkin Hatun Sürücü wollte der Verein nach eigenen Angaben von Zwangsheirat bedrohten Frauen helfen. Er ist nach dem Mordopfer und seinem kleinen Sohn benannt.

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, 690 000 Euro Spendengelder erschlichen und zum Teil für privaten Luxus ausgegeben zu haben. So soll er einen mehr als 60 000 Euro teuren Geländewagen für den Verein angeschafft, aber nur privat gefahren haben. Auch für Urlaubstage in einem spanischen Hotel soll er sich aus der Spendenkasse bedient haben. Sein Verteidiger Hubert Dreyling hatte die Anklage als „absurd, boshaft und abenteuerlich“ zurückgewiesen.

Schwarzer gab in ihrer Befragung zu Protokoll, sie sei damals zunächst sehr angetan gewesen von der „flexiblen Bürgerinitiative“ für entrechtete Frauen. „Weil ich einfach wollte, dass es das gibt, weil ich das toll fand“, sagte Deutschlands prominenteste Feministin. Sie habe es „rührend“ gefunden, dass ein Freund des Mordopfers den Verein aufbaute. „Ich war die zufriedene, glückliche Spenderin“, sagte Schwarzer selbstkritisch. Erst später seien ihr Zweifel gekommen. Auch die Zeitschrift „Emma“ hatte seinerzeit über den Verein berichtet.

Das Geld habe sie nie selbst in der Hand gehabt, die Spende sei über eine RTL-Stiftung abgewickelt worden, berichtete Schwarzer. Dass binnen weniger Wochen schon 100 000 Euro von der Spende weg waren, habe sie auch stutzig gemacht. Nach dem Treffen mit dem Verein sei ihr klar gewesen: „Hier ist was faul, aber gewaltig.“ Die Staatsanwaltschaft hatte einen Teil der Gelder bei Hatun & Can sichergestellt.

Es ist nicht der erste Fall in der Hauptstadt, in dem gemeinnützige Vereine durch ihre Führungskräfte ins Zwielicht geraten sind. Für bundesweite Schlagzeilen sorgte etwa die „Maserati-Affäre“ bei der Treberhilfe, einer Hilfseinrichtung für Obdachlose.