Allein mit Tigern und Elefanten

Jörg Ott ist Nachtwächter im Kölner Zoo. Was nach ruhiger Kugel klingt, ist allerdings nichts für schwache Nerven.

Köln. Fast alle sind noch wach. Die Wildesel spielen, die Bisons drücken neugierig ihre Nase gegen das Tor ihres Geheges, die Elefanten stecken die Köpfe zusammen und tröten, und der Tiger nimmt ein gemütliches Nachtbad. Es ist laut, nachts im Zoo.

Jörg Ott geht seine Runde. Der 34-Jährige arbeitet einmal in der Woche als Nachtwächter im Kölner Zoo. Eine Taschenlampe hat er nicht dabei. „Wenn ich mir auf den Weg leuchte, bin ich hinterher wie blind“, sagt er. Jörg ist eigentlich Jura-Student. Er ist Nachtwächter geworden, weil er zwischen den Runden lernen kann — und trotzdem Geld verdient.

„Die eigentliche Arbeit ist, nicht einzuschlafen“, sagt er und lehnt sich gegen ein Geländer beim Elefantengehege. Hier sitzt er gern, vor allem im Sommer, zwischen seinen Runden. „Bei den Elefanten ist immer etwas los“, sagt er. Da kann man in Ruhe beobachten, abschalten. Jura-Studium, daneben ein Teilzeitjob — „ich hab die ganze Woche Stress“. Die Arbeit im Zoo sei dagegen reine Entspannung.

Plötzlich trötet einer der Elefanten, laut und aggressiv. Jörg zuckt nicht einmal, beobachtet die Gruppe ruhig weiter. Der trötende Elefant steht hinter einem Holztor, steckt immer wieder seinen Rüssel durch die Latten, um die Herde auf der anderen Seite zu berühren. Er ist von den anderen getrennt und wirkt aufgebracht. „Das ist der Krawallmacher“, sagt Jörg und grinst. Wahrscheinlich sei der Elefant sauer, weil er mal wieder Hausarrest habe — er habe ein Benimm-Problem.

Eins macht die Arbeit besonders unkalkulierbar: die Dunkelheit. Die macht unruhig, unsicher. „Ich merke das, die Rundgänge zur Dämmerung — da hat man gar keine Angst“, sagt Jörg. Dann sei der Zoo noch genau wie in den zwei Stunden zuvor. Bei Dunkelheit aber sei jedes Geräusch erschreckend. „Wenn man etwas hört, dann kann man das nicht lokalisieren, wegen dem Wind.“ In der ersten Zeit rette man sich schnell hinter Gittertore, wenn der Löwe brüllt.

Auch den Gehegen hat er anfangs nicht vertraut. „Das habe ich die ersten Nächte wirklich gemacht: geguckt — wo können die Tiere ausbrechen, und wie komm ich weg“, sagt er lachend. Besonders beim Nashorn misstraute er der Glaswand. „Das sieht doch aus, als würde es Anlauf nehmen und rausrennen!“ Und die riesigen Bisons könnten sich mit den Vorderhufen auf das Gehegegitter stellen und dabei sehr bedrohlich aussehen. Erst nach vier Monaten habe er endlich ohne Angst seine Runden drehen können. „Viele hören schon nach zwei Nächten wieder auf“, sagt er.

Einmal, bevor der Zoo die Außenwände höher gemauert hat, sind in Jörgs Schicht zwei vermummte Gestalten in Kapuzenpullis über die Mauer ins Wildesel-Gehege eingestiegen. Er habe ziemliche Angst gehabt. „Du kannst das überhaupt nicht einschätzen. Sind das Jugendliche? Wie alt sind die?“ Er rief leise die Polizei an und brüllte dann umso lauter: „Kann ich irgendwas für euch tun?“ Da hätten sich die Eindringlinge dann gleich sehr erschrocken. Meistens ist der einzige Fremde, den Jörg auf seinen Runden trifft, ein tierischer Besucher. Ein Fuchs aus der Nachbarschaft macht regelmäßig Spaziergänge durch das Gelände. Zuerst dachte der Nachtwächter, ein Zootier wäre ausgebrochen. „Ich hab wie verrückt herumtelefoniert, bis mir einer endlich davon erzählt hat“, sagt er.