Amokläufer tötet in Japan 19 Behinderte

Yokohama (dpa) - Das Grauen überfiel die Menschen in der Nacht. In dem Behindertenwohnheim mit dem schönen Namen „Tsukui Yamayuri En (Tsukui Bergliliengarten)“ schliefen die Bewohner gerade, als plötzlich gegen 2.30 Uhr ein Mann im Erdgeschoss eine Scheibe zertrümmert und eindringt.

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Der Horror, der sich dann in zwei Gebäuden der Anlage abspielt, lässt sich kaum erahnen. 19 wehrlose Behinderte sterben in dieser Nacht einen grausamen Tod, brutal erstochen von einem 26 Jahre jungen Mann, der noch bis vor kurzem in dem Heim beschäftigt war. „Es ist besser, wenn die Behinderten verschwinden“, sagte der Japaner, als er sich unmittelbar nach dem Blutbad auf einer Wache stellte.

Als die Menschen in Japan an diesem Morgen erwachten und den Fernseher einschalteten, herrschte im ganzen Land Entsetzen. Gerade erst hatten die Inselbewohner von den schrecklichen Ereignissen im 10 000 Kilometer entfernten Deutschland gehört, und nun passiert ein Amoklauf plötzlich im eigenen Land. Begangen von einem Mann, den Nachbarn als stets freundlich beschrieben. Der eigentlich Lehrer werden wollte, und als Praktikant stets nett mit Kindern umgegangen sein soll. Was treibt einen solchen Mann zu so einer Wahnsinnstat?

Ein im Fernsehen ausschnittsweise gezeigter handgeschriebener Brief, den er im Februar der Residenz des Parlamentspräsidenten übergeben hatte, könnte Hinweise auf das Motiv liefern. Darin forderte er zunächst die Möglichkeit der Euthanasie für Schwerstbehinderte. Diese lebten nicht wie Menschen, sondern wie Tiere.

Er selbst könne „für Japan“ 470 Behinderte „vernichten“, schreibt der Mann weiter. Immer konfuser werden seine Worte. Das Wort Freimaurer fällt, vom Dritten Weltkrieg ist die Rede, den er verhindern könne, von Revolution, seinem Wunsch nach Schönheitsoperation, UFOs habe er gesehen, und Japan solle Marihuana zu medizinischen Zwecken erlauben.

Dann aber schreibt der Mann plötzlich detailliert, wie er konkret seinen Plan zur Tötung von Behinderten umsetzen will, wie Medien weiter aus dem Brief zitieren. Er würde den Plan in der Nacht durchziehen, und zwar in zwei Heimen, wo viele „Mehrfach-Behinderte“, so seine Worte, untergebracht seien. Darunter das „Tsukui Yamayuri En“. Die Mitarbeiter würde er mit Kabelbindern fesseln.

Noch am selben Tag, als der Brief einging, kontaktierte die Polizeibehörde die Beamten an seinem Wohnort, wo sich auch das Wohnheim befindet. Die Polizei war also alarmiert. Drei Tage später sagt der Mann einem Kollegen in dem Heim, Schwerstbehinderte sollten lieber sterben. Die Polizei wird eingeschaltet, kurz darauf wird der Mann in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Doch nach knapp zwei Wochen kommt er wieder raus. Er stelle keine Gefahr mehr für andere dar, heißt es. Ein fataler Irrtum. Am Dienstag setzte er seinen in dem Brief vom Februar beschriebenen Plan tatsächlich in die Tat um.

Kurz nach dem Blutbad hatte der Mann noch eine letzte Kurznachricht über Twitter abgesetzt, darunter ein Foto von sich, lächelnd mit roter Krawatte: Er wünsche sich Frieden auf der Welt, schreibt er auf Japanisch, und dann auf Englisch: „Beautiful Japan“ - schönes Japan.