Ana Lilia Pérez: Allein gegen die Mafia

Mexiko-Stadt (dpa) - Eine mutige Journalistin hat viele Artikel und mehrere Bücher darüber geschrieben, wie die Mafia den mexikanischen Staat und das Staatsunternehmen Pemex unterwandert. Ihr Leben ist in Gefahr.

Jetzt nimmt sie eine Auszeit in Deutschland.

Korruption ist eines der größten Übel Mexikos. Alle wissen das, alle sprechen darüber. Doch in der Öffentlichkeit bleibt die Rolle der Mafia bei Bestechung, Klientelismus, Diebstahl, Unterwanderung von Politik und Wirtschaft verschleiert. Wer diesen Schleier lüften will, um die Gesichter der Korruption zu zeigen, wird mit dem Tode bedroht.

So ergeht es jetzt der Investigativjournalistin Ana Lilia Pérez (35), die vor gut zehn Jahren bei der Zeitschrift „Contralinea“ begann, die Korruptionsnetze im Energiesektor zu untersuchen. Ihr Buch „Camisas azules, Manos Negros“ (Blaue Hemden, Schwarze Hände), das sie in der Folge veröffentlichte, schlug ein wie eine Bombe. „Das Buch hat sofort zu Drohungen gegen mich geführt“, erzählt die Journalistin. „Ich wurde mit dem Tode bedroht, ich wurde verfolgt, erhielt drohende Anrufe und wurde mit Prozessen gehetzt.“

Pérez erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft für Delikte gegen Journalisten und rief die Nationale Menschenrechtskommission, die UN und die Interamerikanische Kommission zu Hilfe.

Der Inhalt des Buches war vor allem auch deshalb brisant, weil hier die Verbindung zwischen den Regierungen von Vizente Fox und Felipe Calderón zum größten mexikanischen Unternehmen, dem Staatskonzern Petroleos Mexicanos (Pemex), deren Zulieferern und der Drogenmafia aufgezeigt wird. Während der jahrzehntelangen Herrschaft der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) hatte sich der Korruptionssumpf offensichtlich so ausgebreitet, dass auch die neuen Regierungen in ihm versanken.

Die seit dem Jahr 2000 angetretenen Regierungen hätten das eiserne Versprechen abgegeben, die Korruption zu bekämpfen, sagt Pérez. „Doch sie wiederholten alle Laster. Und zudem waren diejenigen, die in die Korruption verwickelt waren, enge Mitarbeiter von Präsident Calderón.“ Die Unterwanderung des 1938 verstaatlichten Ölproduzenten ging so weit, dass politische Funktionäre oder ihre Familien Eigentümer von Vertragsunternehmen wurden, die dann Millionenverträge erhielten. Entsprechend kamen viele Drohungen gegen Pérez von Funktionären aus diversen Ämtern und auch von Politikern.

Weil es ihr zu gefährlich wurde, über das organisierte Verbrechen und die Machenschaften der Drogenkartelle zu arbeiten, entschloss sich die Journalistin, von diesem Sektor die Finger zu lassen. Aber der Arm der organisierten Kriminalität ist lang: „Du befasst Dich mit dem Gebaren eines politischen Funktionärs oder mit den Geschäften eines Unternehmers, aber dann siehst Du, dass dieser Unternehmer ein Drogenschmuggler ist, dass jener Unternehmer Geld wäscht und ein anderer Funktionär für die Mafia arbeitet.“

Die mutige Frau geht nicht mehr alleine auf die Straße. Ende 2011 veröffentlichte sie unter dem Titel „El Cártel Negro“ (Das Schwarze Kartell) ein weiteres Buch. Sie kommt darin zu dem Schluss, dass die Mafia sich Mexikos wichtigstem Unternehmen bemächtigt hat.

Mit Belegen berichtet sie darüber, dass die Drogenkartelle von Sinaloa, vom Golf und die „Los Zetas“ unter Beteiligung von Mitarbeitern von Pemex und mit Duldung politischer Instanzen systematisch die Pipelines anzapfen, um Benzin, Diesel und Öl zu vermarkten - bis in die USA. Dort seien auch internationale Großunternehmen Abnehmer gewesen. „Die Korruption ist auf einem so hohen Niveau, das Pemex zu einem Paradies der Kriminalität geworden ist“, zieht sie Bilanz.

Ana Lilia Pérez wurde in Mexiko-Stadt geboren. Die Entscheidung, nicht, wie zunächst beabsichtigt, Anthropologie und Geschichte zu studieren und stattdessen Journalistin zu werden, hat sie nicht bereut, obwohl sie wegen der Todesdrohungen kein normales Leben führen kann, und auch ihre Familie in Gefahr ist.

Jetzt soll vorübergehend Ruhe und Sicherheit einkehren. Die kommenden zwölf Monate wird sie auf Einladung der Hamburger Stiftung in Deutschland verbringen.