Andreas List: Als Märchenerzähler unterwegs

Andreas List verdient sein Geld als Petronius, der auf Jahrmärkten Geschichten aus dem Mittelalter feilbietet.

Köln. Einen Märchenerzähler stellt man sich vor wie eine Mischung aus "Herr der Ringe"-Zauberer Gandalf und dem Weihnachtsmann. Alt muss er sein, weise muss er sein und einen langen, schlohweißen Bart muss er tragen. Dieser hier ist weder alt noch weise, sondern jung und eher vorwitzig. Sein Kinn zieren lediglich ein paar übrig gebliebene dunkle Stoppeln von der letzten Rasur.

Auch seine Kleidung wirkt enttäuschend neuzeitlich, und die abgewetzte Motorradfahrerjacke überm Sweatshirt ist ein eindeutiger Stilbruch. Nein, ist sie nicht. "Sobald ich mein Gewand anziehe, bin ich in einer anderen Welt, und ich versuche, zwischen dieser und der wirklichen Welt zu vermitteln", sagt Andreas Ulrich List (42), "Ich nehme meine Zuhörer mit auf eine Reise".

Wenn er den mit Leder verzierten Kittel aus grobem Leinen überstreift, die dazu passenden Beinkleider und die geschnürten Lederfüßlinge, wenn er sich mit spitzem Hut und breitem Gürtel, an dem die Geldkatze baumelt, den letzten Schliff verleiht, wird er zu Petronius.

"Petronius Paternoster ist ein Gaukler, der im 12. Jahrhundert lebt und in Köln sein Winterlager hat", erzählt er. "Von Frühjahr bis Herbst zieht er mit dem fahrenden Volk durch die Lande und erzählt auf Jahrmärkten seine Geschichten. Er ist so eine Art ,Zeitung des Mittelalters´."

In seinen Beruf ist er nach und nach rein gerutscht: "Seit 1990 habe ich in der Marktszene gejobbt, war Händlergehilfe, Schankknecht oder Garbräter. In der Taverne hörst du viele Geschichten, das ist wie heute in der Kneipe, und du selbst erzählst auch viel. Und wenn du sowieso schon die ganze Zeit erzählst "

1994 hatte er seinen ersten bezahlten Auftritt. Sein Konzept, das Märchen zu leben, auf Interaktion zu setzen und sich sowohl historischer Quellen zu bedienen als auch eigene Geschichten zu erfinden, für Kinder, für Erwachsene, als Puppenspiel oder als Schwank, geht auf. Petronius Paternoster, der seinen Namen einem Satiriker Roms und einem Transportmittel verdankt, dass immer mal wieder im Keller landet ("Wie mein Kontostand"), ist allgegenwärtig: "Manchmal ist das ein Drahtseilakt. Es besteht immer die Gefahr, komplett in die eine oder die andere Welt abzurutschen."

Märchenmann: Petronius Paternoster tritt bei Mittelaltermärkten und Stadtfesten, in Schulen und Kindergärten, bei Theaterprojekten und Privatleuten auf.

Kontakt: Tel. 0221/32 73 95