Angehende Kapitänin zur See: Bald hört alles auf ihr Kommando
Silke Muschitz ist angehende Kapitänin zur See, meist allein unter Männern und fremdelt zuweilen beim Landgang.
Hamburg. Wer Silke Muschitz zuhört, bekommt etwas von Seefahrerromantik zu hören — inmitten eines hochtechnisierten Be- und Entladevorgangs der „Sofia Express“ am Hamburger Hafen.
Oben auf der Brücke, 40 Meter über der Wasserkante, dort, wo das Schiff gesteuert wird, erzählt die 26-Jährige, was sie an ihrem Beruf so fasziniert. Muschitz ist Erster Nautischer Offizier bei der Hamburger Linienreederei Hapag-Lloyd. Eine von 28 Offizierinnen und Anwärterinnen, 28 unter 1300 Seeleuten der Reederei.
„Das Schönste ist, wenn ich merke, wie das riesige Schiff sich langsam auf eine Pier zubewegt und dann genau richtig festliegt. Das ist für mich ungemein faszinierend“, schwärmt Muschitz. 30 mal hat sie dieses Manöver auf ihrer zurückliegenden Fahrt auf einem anderen, kleineren Schiff mitgemacht — von Europa rüber nach Nord-Amerika, durch den Panama-Kanal, die US-Westküste wieder hoch, über den Pazifik nach Asien und alles wieder retour. „Andere buchen solche Reisen, wir werden dafür bezahlt.“
Was sich anhört wie ein traumhafter Trip, ist eine Fahrt mit hoher Verantwortung — nach dem Kapitän hat Muschitz die wichtigste Position. „Ich muss das Schiff seetüchtig halten“, sagt sie. Im Hafen den Ladeplan absegnen, prüfen, ob Container an der richtigen Position stehen. Und ist der Ballast gut verteilt? Ist alles an Bord für die Weiterfahrt? Schaffen wir es, wieder pünktlich auszulaufen? „Ich muss den Überblick behalten und mich auf meine Leute verlassen können“, sagt Muschitz.
Und das gilt auch auf hoher See. „Bei gutem Wetter wird entrostet und gemalt. Bei schlechtem wird alles gefettet. Salzluft greift wirklich alles an.“ Morgens bespricht Muschitz sich mit ihrem Bootsmann, dem Vorsteher der Mannschaft. Und sie vergibt weitere Aufgaben: „Die Stores, die Lagerräume, aufräumen, das Deck waschen. Ganz schnöde, wie man das von früher kennt.“
Gibt es Akzeptanzprobleme, wenn sie meist als einzige Frau an Bord fährt? „An Bord bin ich Erster Offizier. Da ist man nicht Frau oder Mann. Für solche Feinheiten ist auch nicht die Zeit“, sagt sie. Ihre Aufgaben an Bord hat Muschitz genauso fest im Blick wie ihr Schiff: „Für ein Schiff muss man ein Gefühl bekommen“, erzählt sie. Schon im Kindergarten habe sie die Querschnittszeichnung eines Kreuzfahrtschiffes mit großer Neugier betrachtet. Ein Bild, das sie nicht mehr losließ. Als auf die Abiturientin die Berufswahl zukam, war für sie klar: „Ich fahre zur See.“
Dennoch hat der Beruf auch Nachteile: „Familie ist für mich aktuell kein Thema. Sollten mal Kinder kommen, dann ist es wohl vorbei für mich mit der Seefahrt.“ Ihr Kind nur alle paar Wochen zu sehen, kann sie sich nicht vorstellen.
15 Wochen war die Offizierin zuletzt auf See. „Wieder an Land brauche ich ein, zwei Tage, damit ich auch wieder mit Menschenmassen umgehen kann — zum Beispiel in der U-Bahn.“
Aber in die Freude, die Freunde im Heimatort Lübeck zu sehen, mischt sich bei der 26-Jährigen auch immer die Sehnsucht nach der Ferne, dem Sonnenaufgang über dem Meer, dem Firmament: „An Bord stehe ich oft draußen und sehe mir den Sternenhimmel an. Das gibt mir das Gefühl von Freiheit.“