Angeklagter gesteht im Serienmord-Prozess in Kiel
Kiel (dpa) - Der mutmaßliche Serienmörder Hans-Jürgen S. hat vor dem Kieler Landgericht gleich zu Prozessbeginn am Mittwoch fünf Sexualmorde an jungen Frauen gestanden. In einer Erklärung seiner Verteidiger räumte er die Taten zwischen 1969 und 1984 ein.
„Ich bestätige generell meine bisherigen Einlassungen und kann nur noch einmal wiederholen, dass mein damaliges Verhalten für mich bis heute unfassbar bleibt“, verlas Verteidiger Horst Schumacher.
Der 65-Jährige aus Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) bedauerte demnach das unsägliche, nicht wieder gut zu machende Leid, das er Familien und Freunden der Opfer zugefügt hat. Die Ermittler hatten ihn erst im April dieses Jahres - 27 Jahre nach der wohl letzten Tat - gefasst, dank neuer DNA-Untersuchungen.
Laut Staatsanwaltschaft wählte der große, kräftige Maurer seine Opfer völlig zufällig aus. Er lauerte ihnen in Hamburg, Norderstedt und Quickborn auf und überfiel sie. In vier Fällen habe er die jungen Frauen mit seinen bloßen Händen erwürgt, so die Anklage. Dann verging er sich an drei Leichen, im vierten Fall versuchte er dies vergeblich.
Sein mutmaßlich letztes Mordopfer, die 18-jährige Schwesternschülerin Gabriele S., vergewaltigte Hans-Jürgen S., bevor er sie mit ihrem eigenen Schal strangulierte. So habe der Mann die Entdeckung der Tat verhindern wollen, sagte Oberstaatsanwalt Matthias Daxenberger. Die Opfer waren zwischen 15 und 22 Jahren alt.
„Ich fühle mich zurzeit überfordert, mich in der Hauptverhandlung noch einmal zu den Vorwürfen zu äußern“, hieß es in der Erklärung des Angeklagten. In seinem Geständnis während der Untersuchungshaft hatte Hans-Jürgen S. erklärt, bei den Taten völlig außer Kontrolle gewesen zu sein. „Das war ja wie gesteuert. Ich konnte mich nicht beherrschen.“
Vor den ersten Morden war er den Protokollen zufolge von Frauen frustriert worden, weil er Absagen kassiert hatte. Die Vergewaltigung nach dem Mord an der 22-jährigen Jutta N., der ersten Tat im Juni 1969, soll sein erster Geschlechtsverkehr gewesen sein - er war damals ebenfalls 22. Vor einem späteren Mord sollen sexuelle Probleme in seiner Ehe seine Stimmung beeinflusst haben.
Die Ermittler waren dem Maurer erst auf die Spur gekommen, als sie mit Hilfe neuer DNA-Methoden den Mordfall Gabriele S. noch einmal untersuchten. Im Herbst 2010 nahmen sie freiwillige Speichelproben von 150 Männern, die schon 1984 befragt worden waren. Darunter war der Bruder von Hans-Jürgen S. Seine DNA führte zu dem mutmaßlichen Täter. Der Vater zweier Töchter und Großvater wurde im April festgenommen.
In der Untersuchungshaft gestand er zunächst den Mord an Gabriele S., später auch vier weitere Morde. Er habe reinen Tisch machen wollen, erklärte Hans-Jürgen S. in den Vernehmungen. Anhaltspunkte für weitere Taten gebe es vorläufig nicht, aber es werde noch ermittelt, sagte der Leiter der Ermittlungen im Zeugenstand.
Der Angeklagte stammt aus einfachen Verhältnissen. Stockend, zeitweise mit verschränkten Armen, antwortete er auf die Fragen des Vorsitzenden Richters zu seiner Person. Nach dem Hauptschulabschluss machte Hans-Jürgen S. eine Lehre als Maurer, zwischen einzelnen Anstellungen war er immer mal wieder arbeitslos. Er ist geschieden.
Dass der wegen Mordes Angeklagte zu Gewalt gegen Frauen neigt, war den Behörden spätestens seit 1993 bekannt. Rund neun Jahre nach dem letzten der fünf angeklagten Morde stand er schon einmal vor Gericht: Wegen gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung einer Prostituierten in Hamburg wurde er zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Der Prozess wird am 9. Januar fortgesetzt. Insgesamt sind sieben Tage bis Anfang Februar anberaumt.