Angst vor Schweinepest: Wildschweine im Visier der Jäger
Es gibt immer mehr Keiler. Außerdem könnten die Tiere die Schweinepest ins Land holen.
Bielefeld. Jägerromantik sieht anders aus: 30 Meter entfernt von Herbert Linnemann brettern schwere Brummis auf der A2 bei Bielefeld in Richtung Berlin. Der Forstexperte kann seine Anweisungen nur mit Mühe an die Frau und an den Mann bringen. Vor ihm am Rand des Stadtwaldes stehen Jäger, Treiber und ein paar Hunde. Sie sollen per Druckjagd möglichst viele Wildschweine zur Strecke bringen. Linnemann teilt die Teams ein.
Insgesamt haben sich an diesem Dienstag 100 Jäger aus acht Revieren entlang der A2 an der Jagd beteiligt, bei der Helfer und Hunde den Jäger die Tiere vor die Flinte bringen sollen. Und das möglichst in Richtung „weg von der Autobahn“.
Mit der Aktion will die Stadt auf ein Doppelproblem aufmerksam machen: Erstens gibt es zu viele Wildschweine, die immer näher an die Siedlungen, Friedhöfe und Grünanlagen herankommen und dort hohe Schäden verursachen. Zweitens haben die Landwirte große Angst vor der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Und je mehr Wildschweine es in NRW gibt, desto höher ist das Risiko, dass der Erreger auch nach Deutschland kommt.
Das Virus macht sich seit Jahren in Osteuropa breit. Die Krankheit ist für Menschen ungefährlich, endet für Haus- und Wildschweine aber in den meisten Fällen tödlich. Sollte sich die Schweinepest auch nach Deutschland ausbreiten, droht den Landwirten ein Milliarden-Schaden. „Sobald wir Fälle von ASP in Deutschland hätten, würde dieser Exportmarkt zusammenbrechen“, erklärt Verbandssprecher Hans-Heinrich Berghorn. Als Folge würden die Preise wegen des Überangebotes in den Keller gehen. „Bei den Landwirten ist die Panik da. Und sie ist berechtigt“, sagt Berghorn. Es sei nicht die Frage, ob die Pest nach Deutschland kommt, sondern wann sie kommt.
Experten des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit mit Sitz in Greifswald an der Ostsee beruhigen nur für den Moment. Noch gebe es keinen Fall der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland, sagt eine Sprecherin. Es bestehe jedoch jederzeit das Risiko eines Eintrags nach Deutschland — „insbesondere über den Faktor Mensch“.
Hier kommt wieder die Autobahn ins Spiel: Die A2 verbindet Osteuropa und seine Seuchengebieten mit NRW. Touristen und Lkw-Fahrer bringen das Virus in Lebensmitteln mit aus Osteuropa. Sorglos weggeworfene Essensreste an Rastplätzen sind dann willkommenes Futter für Wildschweine.
Zur Zahl der Wildtiere in NRW gibt es keine Statistik. Erfasst werden die bei der Jagd getöteten Tiere. Im Jagdjahr 2016/2017 wurden 39 000 Wildschweine erlegt. Das waren 4500 mehr als im Jahr zuvor. Wie sich das Wildschwein ohne natürlichen Feind in der Natur in den letzten Jahrzehnten ausgebreitet hat, erklärt Bielefelds Amtstierarzt Hans Helmut Jostmeyer. „In den 1990er Jahren wurden hier im Kreis laut Statistik noch ein bis drei Wildschweine pro Jahr geschossen. Heute sind es 100.“
Am Ende des Tages war Jagdleiter Linnemann am Rande der A2 mit 20 erlegten Wildschweinen nicht ganz zufrieden: „Es hätten ein paar mehr sein können.“