Antikes Grab versetzt Griechen in Aufregung
Amphipolis (dpa) - Die Einwohner von Amphipolis können ihr Glück kaum fassen. Vor den Toren des abgelegenen Bergdorfes fanden Archäologen im August ein prunkvolles Riesengrab aus der Zeit von Alexander dem Großen.
Der als Held verehrte König von Makedonien lebte in der Zeit von 356 bis 323 vor Christus.
Die Bewohner des 200-Seelen-Dorfs glauben sogar, dass der legendäre Feldherr dort selbst begraben sein könnte. „Das Grab ist so groß, es kann nur jemandem aus dem Königshaus gehören“, sagt der 83-jährige Dimitris Bikos. „Alle im Dorf glauben, dass Alexander der Große hier begraben liegt. Es ist, als wären wir auf Öl gestoßen.“
Der Rummel in Amphipolis ist groß: Örtliche Medien berichten in Echtzeit von den Ausgrabungen, fast täglich reisen Touristen und Schulgruppen mit Bussen an. Dabei kann der Grabhügel noch gar nicht besichtigt werden. „Den Leuten macht das offenbar nichts aus. Sie kommen trotzdem und das ist gut fürs Geschäft“, sagt der Besitzer des einzigen Cafés im Ort, Giannis Christou. Er vergrößert derzeit sogar sein Lokal, um sich für den erwarteten Touristenandrang zu wappnen.
Das Grab wurde rund 100 Kilometer östlich von Thessaloniki entdeckt und ist die größte jemals in Griechenland untersuchte Grabanlage. Der Hügel hat einen Umfang von fast 500 Metern und ist 33 Meter hoch. Seit Beginn der Ausgrabungen haben Archäologen vier Grabkammern, ein Bodenmosaik und zwei Sphinxe freigelegt. Zu den Funden zählen auch zwei 3,5 Meter hohe säulenähnliche Frauenstatuen, die als Karyatiden bezeichnet werden. Die jüngste Entdeckung ist ein menschliches Skelett.
Doch die Identität des Toten kann möglicherweise nie geklärt werden. „Mithilfe einer DNA-Untersuchung werden wir Geschlecht und Alter bestimmen können und wissen, wovon die Person sich ernährt hat“, sagt die Generalsekretärin des griechischen Kulturministeriums Lina Mendoni. „Dennoch erfahren wir vielleicht nie, wer der Tote ist.“
Dabei ist die Liste der Möglichkeiten lang: Sowohl Alexanders Frau Roxane, als auch der gemeinsame Sohn Alexander IV. Aigos könnten in dem Riesengrab bestattet worden sein. Beide kamen nach dem Tod Alexanders nach Amphipolis ins Exil und wurden dort umgebracht. Das Grab des Königs liegt nach Ansicht von Experten jedoch im ägyptischen Alexandria.
Doch davon lassen sich die Einwohner Amphipolis' ihre Hoffnungen nicht zunichtemachen. „Welche Mutter würde schon den Körper ihres Sohnes in einem fremden Land zurücklassen?“, fragt Morfi Avaei. Die 54-Jährige verkauft in Amphipolis selbstgemachte Marmelade und Honig. „Sicherlich hat Alexanders Mutter Olympias den Leichnam überführen lassen, ohne dass ihre Feinde es gemerkt haben.“
Die Dorfbewohner hoffen, dass der sensationelle Fund den dringend benötigten Tourismus in der Region ankurbeln wird. Im Archäologischen Museum seien die Besucherzahlen an den vergangenen Wochenenden bereits von 30 auf mehr als 2000 gestiegen, sagt der Bürgermeister Kostas Melitos. Auch Wasserflugzeugunternehmen und internationale Kreuzfahrtgesellschaften planten demnach, den nahe der Mittelmeerküste gelegenen Ort nun regulär anzusteuern.
Der Fund könnte aber auch den jahrzehntelangen Streit zwischen Griechenland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien verschärfen, die Alexander den Großen jeweils für sich beanspruchen. „Aber dafür sollten wir das Grab von Amphipolis nicht nutzen“, sagt Stavros Tzimas von der griechischen Zeitung „Kathimerini“. „Stattdessen sollte es als ein Denkmal für Weltkulturererbe angesehen werden und eines Tages der ganzen Welt zur Besichtigung offen stehen.“