Arbeitszeiten nach Wunsch in der Pflege

Das Lukaskrankenhaus in Neuss hat für das Projekt Flexpool einen Preis gewonnen.

Foto: Lukaskrankenhaus/Schumacher

Neuss. Zu wenig Personal, zu viel Stress und ausgelaugte Mitarbeiter: Heute gibt es kaum ein Krankenhaus, das nicht mit einem massiven Pflegenotstand zu kämpfen hat. Laut Verdi fehlen an deutschen Krankenhäusern mittlerweile fast 70 000 Pflegekräfte. Auch das Neusser Lukaskrankenhaus musste bislang in Spitzenzeiten auf Zeitarbeiter zurückgreifen. Die Klinik hat reagiert und geht im Personalwesen jetzt neue Wege.

Seit April arbeitet das Krankenhaus mit einem variablen Mitarbeiterpool, der die Steuerung von Unter- und Überkapazitäten auf den Stationen regelt. Für diesen „Flexpool“ sind die Städtischen Kliniken bereits mit einem Preis, dem „Deutschen Change Award“ des Instituts für Qualität und Patientensicherheit BQS, ausgezeichnet worden. Verantwortlich für die Umsetzung ist Personalerin Lea Schumacher. Sie bringt Erfahrung aus den Niederlanden mit, wo flexible Arbeitszeitmodelle im Pflegebereich schon länger praktiziert werden. 21 Flexpool-Mitarbeiter wurden in Neuss in den vergangenen acht Monaten eingestellt. Der Großteil arbeitet als Krankenschwester bzw. -pfleger, zwei sind in der Altenpflege tätig.

Das neue Arbeitszeitmodell ist eine organisatorische Herausforderung: Mit Hilfe eines speziellen IT-Systems gestaltet Lea Schumacher die unterschiedlichen Dienstpläne, rekrutiert neue Mitarbeiter und stimmt mit dem Personal bedarfsgerecht die gewünschten Arbeitszeiten ab. Alles wird vertraglich fixiert. Änderungen können auch monatlich vorgenommen werden.

40 weitere Stellen sollen bald hinzukommen. Zum Vergleich: Insgesamt beschäftigt das Lukaskrankenhaus 1500 Mitarbeiter, etwa 800 davon in der Pflege. Die klassischen Drei-Schicht-Systeme bleiben grundsätzlich erhalten. Arbeitet eine Mitarbeiterin im Flexpool, kann sie aber auch in einer Zwischenschicht arbeiten, fängt zum Beispiel erst um 7.30 Uhr an oder übernimmt vorzugsweise Spätdienste.

Individuelle Schichten ermöglichen eine flexiblere Planung, ist Schumacher überzeugt. Das wirke sich auch positiv auf das Patientenwohl aus. Und wer zum Beispiel sonntags nicht arbeiten will, kann sicher sein: „Frei ist frei“, sagt sie, doch man könne schneller auf zyklische Belegungen und Engpässe reagieren. „Wir sind einfach nicht mehr auf Zeitarbeitsfirmen angewiesen“, sagt sie. Bei einem Krankheitsfall werde auf dem kurzen Dienstweg in der WhatsApp-Gruppe gefragt, wer einspringen könne.

Die neuen Mitarbeiter würden gründlich eingearbeitet, sagt die Flexpool-Managerin. „Sie arbeiten ja nur bei uns im Lukaskrankenhaus, Wissen geht damit nicht verloren. Sie kennen sich aus, auch wenn sie auf eine neue Station kommen.“ Qualifiziertes Personal könne so gebunden werden. Raus aus einem starren System, hin zu hoch individuellen Lösungen, damit mache sich das Lukaskrankenhaus auch als Arbeitgeber attraktiv — vor allem auch für Mütter, die in Teilzeit arbeiten wollten. Möglich sei das ab 40 Prozent.

Auch für Timo Mick passt es mit „Flex“. Der 24-jährige examinierte Krankenpfleger kann seinen Beruf und das Studium der Gesundheitspsychologie/Medizinpädagogik miteinander vereinbaren: „Das ist ein großes Entgegenkommen. Ich kann alles gut planen, ohne eine Sache zu vernachlässigen“, sagt er. Er hat eine 80-Prozent-Stelle und wird vermehrt im Spätdienst und an den Wochenenden eingesetzt. Der häufige Stationswechsel und die vielen neuen Kollegengesichter oder Krankheitsbilder störten ihn nicht: „So sammel ich neue Erfahrungen.“