Auf der Suche nach dem Sommerloch

Sommerloch (dpa) - „Weg da. Das ist nicht ihr Grundstück“, sagt eine ältere Dame, als sich der Bürgermeister fürs Pressefoto positioniert. Das „Geknipse“ kann ihr gestohlen bleiben. Davon gibt es in Sommerloch bereits genug, findet sie.

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Jeden Sommer lockt die 440-Seelen-Gemeinde Sommerloch bei Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz zahlreiche Journalisten. Sie sind auf der Suche nach dem Ursprung des gleichnamigen Nachrichtentiefs, das Zeitungen, Fernsehsender und Radiostationen in der Ferienzeit manchmal vor Probleme stellt.

In der Gemeinde Sommerloch hat die redaktionelle Durststrecke für manch einen Journalisten eine geografische Heimat gefunden. „Das nehmen wir gerne mit“, sagt Thomas Haßlinger, der Bürgermeister, über die mediale Aufmerksamkeit. Im Juli und August bekommt er im Durchschnitt mindestens zehn Interviewanfragen, im Rest des Jahres: keine einzige.

Wenn die Medienvertreter dann kommen, ist Haßlinger immer erst in einer Verteidigungshaltung: „Vor allem, wenn mir jemand das Gefühl geben will, wir leben hier hinter dem Mond“, sagt er. Haßlinger spricht von einer Stadt-Land-Spannung, die in den Gesprächen zum Tragen komme. „Seid ihr alle verwandt?“, habe mancher Großstädter beim Besuch des Dorfes gefragt. Haßlinger kann darüber lachen - auch wenn sich der Witz mit der Zeit abgenutzt habe.

Natürlich stoßen die Redakteure in der ländlichen Idylle auch auf Steilvorlagen: Wer das falsche Mobilfunknetz hat, kommt mit lautem Rufen weiter als mit dem Handy - Sommerloch liegt in einem Funkloch. Ein deutscher Komiker, der im Dorf nicht mehr willkommen ist, hat das auf die Spitze getrieben, indem er mit den Bewohnern nur per Megafon kommunizierte.

„Das liegt einfach am Namen“, sagt Andrea Kolling, ehemalige Weinkönigin des Anbaugebiets Nahe, über Wortspiele und Provinz-Klischees. Schon in der Schule habe den Kindern des Dorfes ein Label angehaftet: „Das sind die Sommerlocher“, habe es geheißen, bevor sich die Mitschüler einander überhaupt beim Namen kannten. „Der Name ist identitätsstiftend“, sagt auch Haßlinger.

In vielen Zeitungstexten über Sommerloch ist zu lesen, die Berichterstattung habe Touristen in die Gemeinde gelockt. Haßlinger und Kolling glauben das nicht. „Es gibt zwar mehr Übernachtungen, aber das ist in den umliegenden Dörfern genauso“, sagt Haßlinger. „Wein ist der Grund“, ist er überzeugt. „Niemand fährt nach Sommerloch, weil er davon in der Zeitung liest.“

Dennoch hat der Name der Ortsgemeinde zu besonderen Erlebnissen verholfen. Schlagersänger Jürgen Drews war da, der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) hat in Sommerloch ein Buch vorgestellt, und das Gemeindehaus wird regelmäßig von Firmen gemietet, die es lustig finden, „im Sommerloch“ zu tagen.

„Das nehmen wir gerne mit“, sagt der Bürgermeister auch dazu. Denn den Rest des Jahres sind die Sommerlocher wieder sich selbst überlassen. Weinfeste, der Fastnachtsumzug und lokale Sportereignisse finden unter Ausschluss der medialen Öffentlichkeit statt, die sich traditionell erst wieder zur Urlaubszeit für Sommerloch interessiert.

Vielleicht ist selbst damit bald Schluss: „Die Zeiten sind vorbei, in denen Journalisten händeringend nach Themen suchen mussten“, sagt Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbands. Er verweist auf das Flüchtlingsdrama an den europäischen Grenzen, auf Terroranschläge und die Netzpolitik-Affäre: „Von einem Sommerloch sind wir 2015 weit entfernt.“