Aus dem Schatten von Paul Auster: Siri Hustvedt wird 60
Als Studentin traf Siri Hustvedt Paul Auster und verliebte sich sofort in den Schriftsteller. Mehr als 30 Jahre später ist das Paar immer noch glücklich verheiratet - aber Hustvedt längst selbst erfolgreiche Autorin. Jetzt wird sie 60.
New York. Eine Lesung veränderte das Leben von Siri Hustvedt für immer. Bei der Veranstaltung 1981 im New Yorker Kulturzentrum 92Y lernte sie den Schriftsteller Paul Auster kennen. „Für mich war er der süßeste Typ überhaupt. Er wurde mir als Dichter vorgestellt und ich dachte: „Meine Güte, ein wunderschöner Dichter““, erzählte Hustvedt später dem britischen „Guardian“. „Alles ging sehr schnell. Noch heute ziehe ich Paul damit auf, dass er ein paar Stunden gebraucht hat. Bei mir hat es nur 30 Sekunden gedauert. Ich war sofort verliebt.“
Inzwischen ist das Paar seit mehr als 30 Jahren verheiratet und hat eine gemeinsame Tochter. Als sie Auster kennenlernte, war Hustvedt noch Studentin, inzwischen ist sie selbst erfolgreiche Schriftstellerin. Der Weg aus dem Schatten ihres weltweit bekannten Ehemanns war kein leichter, gibt Hustvedt offen zu. „Anfangs fühlte es sich an, als ob die Menschen geradezu über mich drüber trampelten, um zu dem großartigen Mann zu kommen. Ich hatte Fußspuren überall auf meinem Körper.“ Aber die große, schlanke Frau mit den blonden Haaren hatte genügend Durchhaltevermögen und Selbstbewusstsein.
Mit immer neuen Buch-Erfolgen wie „Was ich liebte“ oder „Der Sommer ohne Männer“ schrieb sie sich in die Bestsellerlisten und wird zu ihrem 60. Geburtstag am kommenden Donnerstag (19. Februar) längst als eigenständige Schriftstellerin wahrgenommen. Ihr jüngstes Buch „The Blazing World“ ist gerade für den Man Booker Preis nominiert worden und sie plant schon wieder ein neues, wie sie den Veranstaltern der Auszeichnung erzählte. „Es wächst ziemlich schnell in mir. Es geht um einen Protagonisten, der sich nicht mehr an einen bestimmten Zeitraum erinnern kann und versucht, die Erinnerung wiederzufinden.“
Das Schriftsteller-Paar Auster/Hustvedt wohnt in einem gründlich renovierten und gemütlich eingerichteten Stadthaus im schicken Stadtteil Park Slope in Brooklyn. Die gemeinsame Tochter Sophie arbeitet als Sängerin und Schauspielerin. „Als wir dieses Haus gekauft haben, hat Paul mich angesehen und gesagt: „Nicht schlecht für ein Dichter-Paar“, erinnert sich Hustvedt. Ihr berühmter Ehemann ist bis heute ihr größter Fan - und immer ihr erster Leser. „Das Großartigste für mich ist zu beobachten, wie sie sich als Schriftstellerin entwickelt“, sagte Auster jüngst der Deutschen Presse-Agentur. „Sie war schon immer gut, aber sie wird einfach immer besser und besser. Nicht nur ihre Romane, sondern auch ihre Essays. Sie ist wirklich gut im Rennen und es ist ganz schön aufregend, da Schritt zu halten. Sie ist die Intellektuelle in der Familie und ich genieße es einfach, ihr Leser zu sein. Es ist eine wahre Freude, mit so einem Genie zusammenzuleben.“
Geboren wurde Hustvedt 1955 im nördlichen US-Bundesstaat Minnesota als Tochter norwegischer Einwanderer. „Es war eine sehr ländliche Einwanderergemeinschaft. Wir sind im Winter Snowboard gefahren und die alten Leute haben alle Norwegisch gesprochen“, erzählte Hustvedt dem „Guardian“. „Mein Vater hat bis zum Ende seines Lebens mit einem norwegischen Akzent gesprochen. Wir sind jeden Tag mit dem Schulbus gefahren. Es war das dörfliche Amerika und ich hatte immer Fantasien, es zu verlassen.“
Nach dem Studium geht Hustvedt, die bis heute perfekt Norwegisch spricht, für ihre Doktorarbeit dann wirklich nach New York. „Das war riesig für mich. Furchtbar aufregend. Ich war vorher nur einmal in New York und kannte niemanden.“ Aber Hustvedt weiß schon, dass sie Schriftstellerin werden will - seit sie mit 13 einen Sommer in Island verbrachte und dort nächtelang las. „Ich habe aus dem Fenster geschaut und gedacht: Wenn es das ist, was Bücher bewirken können, dann will ich das auch machen.“
Zunächst veröffentlicht Hustvedt Gedichte, dann immer mehr Romane und zunehmend auch Essays über Kunst und Philosophie. In „Die zitternde Frau“ untersucht sie 2010 ihre eigene Nervenkrankheit und taucht dafür tief in Psychologie und Neurologie ein. Das Buch wird weltweit zum Bestseller. Hustvedt reist um die Welt, hält Vorträge und Lesungen. Ihr Terminkalender sei extrem voll, aber trotzdem habe sie hin und wieder auch mal Zeit zum Verschwenden, erzählte sie dem „Guardian“. „Wenn ich dann gerade in Manhattan bin, dann laufe ich einfach zu meinem Ziel, auch wenn es mit der U-Bahn schneller wäre. Ich liebe es einfach, durch die Straßen von New York zu laufen.“