Aus den Trümmern dringen Schreie

Die zweitgrößte Stadt Neuseelands versinkt im Chaos.

Christchurch. Die Straßen von Christchurch sind voll, die Cafés zur Mittagszeit gut besucht. Viele Menschen sind im Büro, die Kinder in der Schule, als das schwerste Erdbeben seit 80 Jahren am Dienstagmittag (Ortszeit) die zweitgrößte Stadt Neuseelands erschüttert.

Binnen kürzester Zeit verwandelt sich die Stadt in ein Katastrophengebiet: Büroblocks stürzen ein, Straßen brechen auf, Tausende Menschen rennen in Panik auf die Straßen. In vielen Gegenden bersten Wasserrohre und setzen Straßen unter Wasser. Der Turm der Kathedrale im Stadtzentrum sackt in sich zusammen. Gerissene Gasleitungen verursachen mehrere Brände.

Wenig später irren benommene und blutende Menschen durch die Straßen. Aus den Trümmern hört man Schreie und Hilferufe. Für die Rettungskräfte beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.

„Ich bin eingeklemmt“, berichtet Anne Voss per Telefon einem TV-Sender. Sie hatte unter ihrem Schreibtisch Schutz gesucht, als die Decke einstürzte. Sie könne einige Kollegen hören. „Ich weiß nicht, in welcher Verfassung sie sind, aber ich kann hören, wie sie um Hilfe rufen.“

Christchurchs Bürgermeister Bob Parker berichtet am Abend, dass er von der Wucht des Bebens zu Boden geschleudert wurde. „Als ich wieder aufstand, habe ich Staubwolken über der Straße gesehen“, sagt er. Er gehe davon aus, dass noch mehr als 100 Menschen eingeschlossen seien.

Hunderte Rettungskräfte suchen nach ihnen. Immer wieder müssen sie ihre Arbeit wegen Nachbeben unterbrechen. Als es dunkel wird, holen sie noch immer Menschen aus den Ruinen, doch viele bleiben über Nacht eingeschlossen.

Am frühen Morgen des 4. September 2010 war Christchurch von einem Beben der Stärke 7,0 erschüttert worden. Viele Häuser wurden beschädigt, Menschen kamen damals aber nicht ums Leben. „Da hatten wir Glück“, sagt der Seismologe John Townend. Das 6,3-Beben vom Dienstag sei verheerender, weil die Erschütterung näher an der Erdoberfläche lag und am Tag geschah, als viele Menschen unterwegs waren.