Autobahnkirchen: Ein Rastplatz für die Seele

Gotteshäuser an der Autobahn sollen auch den Verkehr sicherer machen.

Krefeld/Dormagen. Die Kirchen nennen sie „Rasthöfe der Seele“. Oder Orte, an denen „frische Lebenskraft getankt“ werden könne. Deutschlandweit gibt es 39 Autobahnkirchen oder -kapellen. In der Region sind das an der A 57 die Ökumenische Autobahnkapelle Geismühle bei Krefeld und die Katholische Kapelle St. Raphael Nievenheim bei Nievenheim.

Anders als manch fast vergessene Kirche erfreuen sich die Gotteshäuser am Wegesrand großer Beliebtheit. Manchmal füllen ganze Busladungen die Kirchenbänke. Überdurchschnittlich viele kirchenferne Besucher machen für eine kurze Andacht oder das Anzünden einer Kerze Halt, wie eine Befragung unter Besuchern ergab. Wenn sich Motorisierte besinnen, trägt das zur Konzentration am Steuer bei.

„Der Besuch einer Autobahnkirche und die damit verbundene innere Einkehr kann sicherlich einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten“, sagt Sven Rademacher vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). „Ich entschleunige und bekomme den Kopf frei. Anschließend fahre ich ruhiger und gelassener weiter. Allerdings sollten die Gedanken dann wieder ganz beim Fahren sein und nicht mehr beim Zwiegespräch mit dem lieben Gott.“

Autobahnkirchen zeichnen sich im Vergleich zu anderen Kirchen durch einen bedeutenden Unterschied aus: „Sie sind geöffnet — heute sind die meisten Kirchen doch geschlossen“, stellt Birgit Krause von der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen (VRK) in Kassel fest, bei der bundesweit die Fäden zusammenlaufen. So lädt die Akademie zur jährlichen Konferenz der Autobahnkirchenpfarrer, die zum Beispiel die Kernöffnungszeiten von 8 bis 20 Uhr festgelegt hat. Manche Gotteshäuser — wie das bei Krefeld — sind sogar rund um die Uhr geöffnet. Zudem hat das Gremium bestimmt, dass eine Autobahnkirche nicht weiter als 1000 Meter von der nächsten Abfahrt entfernt sein darf.

„Die Konfession der Besucher spielt keine große Rolle“, sagt Krause. „Es geht doch ums Abschalten oder ein Anliegen vor Gott zu bringen.“ Dafür liegen Bücher aus, in die sich Besucher eintragen können und aus denen manchmal etwas in die Fürbitten aufgenommen wird. Manche Reisende schauten aber auch aus purer Neugier hinter die Kirchenpforte. Spitzenreiter bei den Besucherzahlen ist die 1978 eingeweihte Autobahnkirche Baden-Baden an der A 5. Dort machen laut Krause jährlich rund 300 000 Reisende Rast.

Nach Angaben der VRK-Akademie sind die Gotteshäuser an Fernrouten im Prinzip keine Erfindung der 50er Jahre. Schon im Mittelalter hätten Wanderer, Pilger und Reisende Möglichkeiten zur Andacht gehabt, Kapellen und Kreuze standen dafür am Wegesrand.

Eine den veränderten gesellschaftlichen Lebensräumen angepasste Form dieser Einrichtungen sehen ihre Betreiber in den heutigen Autobahnkirchen. Sie seien „ein Gegenpol zu unserer schnelllebigen, unverbindlichen Zeit“. Die Verweildauer liegt Krause zufolge bei durchschnittlich fünf bis zehn Minuten. Darin unterscheidet sich die Pause kaum von dem Beinevertreten am Rasthof.

„Ob man sich in einer religiösen Pause besser erholt, muss jeder Autofahrer für sich entscheiden. Idealerweise verbindet man den Kirchenbesuch mit ausreichend Bewegung und einer gesunden Stärkung“, sagt Rademacher.

Für Birgit Krause ist ein Stopp an einer Autobahnkirche erholsamer: „Wenn der Besucher wirklich ein Bedürfnis hat oder was loswerden kann, kehrt er wesentlich entspannter zurück. Raststätten sind doch ein ganz anderes Umfeld. Dort gibt es viel Trubel.“ Das könne man mit einer Kirche gar nicht vergleichen.