Bahnunglück in Spanien: Handy-Anruf kam offenbar vom Zugführer
Santiago de Compostela (dpa) - Der Lokführer hat vor dem verheerenden Bahnunglück in Spanien nach Medienberichten mit dem Zugführer telefoniert.
Lokführer Francisco José Garzón sei am Mittwoch freiwillig im Gericht am Unglücksort in Santiago de Compostela erschienen, um die Identität des Anrufers zu enthüllen, berichteten spanische Medien unter Berufung auf das Oberlandesgericht von Galicien.
Bei dem Unfall kamen vor einer Woche 79 Menschen ums Leben. 13 Verletzte lagen am Mittwoch nach amtlichen Angaben noch in kritischem Zustand im Krankenhaus. Garzón hatte am Sonntag bei der Vernehmung durch den Ermittlungsrichter einen „Aussetzer“ eingeräumt, das Telefongespräch aber nicht erwähnt. Der Anruf war erst am Dienstag bei der Analyse der Blackbox ans Licht gekommen. Der 52-jährige Garzón muss sich wegen fahrlässiger Tötung in 79 Fällen verantworten.
Der Lokführer kam den Angaben zufolge am Mittwoch mit seiner Anwältin ins Gericht und berichtete dem Ermittlungsrichter, der Zugführer, der als Leiter der Schaffner tätig ist, habe ihn am vergangenen Mittwochabend kurz vor der Entgleisung durch überhöhte Geschwindigkeit angerufen. Auch Zugführer Antonio Martín Marugán, der beim Unfall leicht verletzt wurde, habe bei seiner Polizei-Befragung nichts vom Anruf erzählt. Eine Stellungnahme gab er vorerst nicht ab.
Der Inhalt des Gesprächs war am Mittwoch vom TV-Sender „LaSexta“ enthüllt worden. Der Lokführer sei unter anderem gefragt worden: „Wie läufts bei dir?“ - und habe geantwortet: „Gut, wir kommen gleich an.“ Kurz danach fuhr der Eisenbahner den Erkenntnissen der Behörden zufolge seinen Zug vier Kilometer vor der Einfahrt in den Bahnhof von Santiago mit 192 Kilometern pro Stunde in einer engen Tempo-80-Kurve ins Unglück. Garzón habe am Mittwoch aber versichert, er habe das Gespräch noch vor der Entgleisung beendet, hieß es.
Nach den Vorschriften der Eisenbahngesellschaft Renfe dürfen Lokführer während der Fahrt nur vom Bahnkontrollzentrum aus angerufen werden. Die Auswertung der Blackbox ergab laut Medien zudem, dass Garzón während des Telefongesprächs wohl auch auf ein Blatt Papier geschaut hat. Einen technischen Fehler oder Sicherheitsmängel als zusätzliche Ursache des Unfalls schlossen die Regierung und die Chefs der betroffenen Unternehmen aus.
Er würde lieber sterben, „als mit der Schuld leben zu müssen“, sagte der erfahrene Eisenbahner bei der Vernehmung nach Medienberichten. Allerdings habe Garzón auch auf die schlechte Beschilderung an der Unglückskurve „A Grandeira“ hingewiesen.
Garzón ist zur Zeit unter Auflagen auf freiem Fuß. Gemäß Richterbeschluss muss er sich einmal in der Woche beim Gericht melden. Ihm wurde auch der Reisepass abgenommen. Zudem darf er zunächst sechs Monate lang keine Züge mehr fahren.
Verkehrs- und Bauministerin Ana Pastor teilte mit, sie wolle vor dem Verkehrsausschuss des Parlaments Stellung zum Unglück beziehen. Vorwürfe von Gewerkschaften, Medien und Kollegen des Lokführers, die Sicherheitssysteme an der engen Unglückskurve seien unzureichend, hatte sie mehrfach zurückgewiesen.