Bauhaus und Meisterhäuser während der Nazizeit
Dessau-Roßlau (dpa) - Die Dessauer Meisterhäuser sind nach fast 70 Jahren fast wieder komplett. In vier Wochen soll der Wiederaufbau der 1945 gravierend beschädigten avantgardistischen Künstlerkolonie, die zum Unesco-Welterbe gehört, gefeiert werden.
Bundespräsident Joachim Gauck wird zur Übergabe erwartet, wie die Stiftung Bauhaus Dessau mitteilte. Dazu gibt es eine Ausstellung, die sich erstmals intensiv mit der Nutzung der Siedlung und dem Bauhaus während der Nazi-Zeit befasst, wie der Kurator der Schau, Philipp Oswalt, der Nachrichtenagentur dpa im Interview sagte.
Frage: In wenigen Wochen soll eine große Schau am Bauhaus Dessau zum Thema „Dessau 1945 - Moderne zerstört“ öffnen. Worum geht es?
Antwort: Nun, die Ausstellung hat zwei wesentliche Bestandteile, einerseits eine Sachausstellung, die die Entwicklung des Bauhauses und der Meisterhäuser in der Nazi-Zeit vorstellt. Es geht um die Geschichte, die mit der Entwicklung der Dessauer Junkers-Werke und den Einsatz der dort hergestellten Rüstungsgüter in Verbindung steht. Zehntausende von Bombern wurden dort produziert. Der zweite Teil zeigt 32 Fotos und einen Film des französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson (1908-2004), der in Dessau im Juni 1945 die Rückkehr der französischen Zwangsarbeiter dokumentierte. Viele dieser Fotos sind das erste Mal öffentlich zu sehen.
Frage: Wie sind Sie bei den Recherchen zum Thema Dessau und die Nazizeit herangegangen?
Antwort: Die Idee der Ausstellung war, zum Zeitpunkt der Reparatur des Kriegsschadens, noch einmal an die Situation und die Umstände der Zerstörung zu erinnern. Ich glaube, ohne diese Zeit 1932 bis 1945, wird man die Geschichte der Stadt nicht richtig verstehen. Dessau war im Aufschwung, die Hälfte der Bewohner abhängig von den Junkers-Werken. Die Stadt gewann in wenigen Jahren 50 000 Einwohner hinzu, tausende Neubauten entstanden und damit war Dessau die am schnellsten wachsende Stadt des Nazi-Regime. Dann kam die Zerstörung der Stadt. Das prägt im Wesentlichen das Stadtbild von heute und die Erinnerung. Für die Ausstellung haben mehrere Historiker in einschlägigen Archiven geforscht. Wir haben Bilder gefunden, Interviews geführt mit drei ehemaligen Bewohnern der Meisterhäuser, die waren damals Kinder.
Frage: Was wurde herausgefunden, was man bisher über die Meisterhäuser nicht wusste ?
Antwort: Bei den Meisterhäusern wussten wir, dass dort während der Nazizeit leitende Mitarbeiter der Junkers-Werke gewohnt haben. Wir haben jetzt aber mehr erfahren über die damaligen Lebensumstände, wie man sich eingerichtet hat, wer zu Besuch war, wie die Familiensituation war, all das wissen wir jetzt und können das auch im Ausstellungskatalog zeigen.
Frage: Gab es zu diesem Thema, die Umstände der Zerstörung der Meisterhäuser, in dem Sinne noch nie eine Ausstellung ?
Antwort: Richtig, und überhaupt, auch die Geschichte des Dessauer Bauhausgebäudes und der Meisterhäuser in der Nazizeit ist noch nicht besonders erforscht gewesen. Es gab einige Abhandlungen über die Zeit danach, aber über die Nutzung während der Nazizeit, das ist ein wenig bearbeitetes Feld, das betrifft alle Meisterhäuser und das Bauhausgebäude selbst. Wir haben uns befasst mit der Zeit von Januar 1932 bis Dezember 1945.
Zur Person: Philipp Oswalt wurde 1964 in Frankfurt/Main geboren. Er ist Architekt und Publizist. Er arbeitet als Hochschulprofessor in Kassel und Berlin, ist verheiratet und hat drei Kinder. Bis Ende Februar war er Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau.