Benedikt XVI. : Ein sanfter Pontifex mit scharfen Kanten
Analyse: Klischees beiseite - ist Benedikt XVI. ein Bewahrer oder Revolutionär? Der Papst entzieht sich einfachen Deutungsmustern.
Düsseldorf. Die Geschichte der Klischees ist schnell erzählt: Vor seiner Wahl zum Papst galt Joseph Ratzinger als menschenscheuer Hardliner, als kühler Intellektueller und reformresistenter Inquisitor. Nach seiner Wahl stellten die Menschen verblüfft fest: "Der ist gar nicht so!"
Ja, Benedikt küsst Babys, fährt im Jeep über den Petersplatz, strahlt Freundlichkeit und Bescheidenheit aus. Benedikt ist keiner, der mit Ellenbogen und Ehrgeiz für seine Karriere kämpfte, auch ist er kein Charismatiker wie sein Vorgänger Johannes Paul. "Ich bin nur ein einfacher, demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn", rief Ratzinger den Gläubigen in der Abenddämmerung des 19. April 2005 zu, gut eine halbe Stunde, nachdem er zum Papst gewählt worden war. Und das klang wie das vorangestellte Motto seiner Amtszeit.
Aber Benedikt ist kein Zwischen-Papst, der am liebsten unsichtbar bleiben würde, auch kein "Kuschel-Benedetto", kein "Papa Ratzi". Bei aller nach außen getragenen Demut: Immer wieder blitzt die Brillanz des Intellektuellen Ratzinger durch, der gar nicht daran denkt, mit diplomatischem Weichzeichner zu reden. Der sanfte Papst hat Kanten, mit denen er anzuecken weiß.
Es sind diese Kontraste, die eine Bilanz seiner ersten zwei Jahre erschweren. Benedikt entzieht sich einfachen Einordnungen. Für die Kirchen-Rebellin Uta Ranke-Heinemann etwa ist er nichts als ein Restaurator, für den Theologen Martin Lohmann hingegen ein Revolutionär, der im Vatikan die "Benedettinische Wende" vollzieht.
Papst Benedikt über seine Gedanken während der Papstwahl
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts befindet sich die Kirche in Kulturkampf-Stimmung; sie fühlt sich herausgefordert von einer entzauberten Moderne, in der Ich-Kult und Materialismus das Dasein bestimmen. Benedikt steht an der Spitze einer christlichen Konfession, die sich mehr denn je als "Fels in der Brandung" positioniert, die sich dem Zeitgeist radikal verweigert und der Beliebigkeit der Moderne ihr sperriges, uraltes Profil entgegenhält. Das erklärt, warum der Papst als Restaurator der lateinischen Messe erscheint. Und warum er den Dialog mit anderen Religionen sucht: um sich gemeinsam mit ihnen gegen eine Welt zu stellen, die Gott aus ihren Bezügen verbannt hat.
Umfrage Prominente sagten in einer Umfrage ihre Meinung über Papst Benedikt. Folgenden Satzanfang galt es zu ergänzen:
"Ich finde, dass Benedikt...
- "...in Zeiten des Umbruchs Orientierung gibt." (Kurt Beck, SPD-Vorsitzender)
- "...in mancher Hinsicht etwas moderner handelt, als Kardinal Ratzinger sprach." (Guido Westerwelle, FDP-Chef)
- "...der ideale Repräsentant der katholischen Kirche ist." (Franz Beckenbauer, Präsident des FC Bayern München)
- "...der schönste Papst ist, den wir je hatten." (Martin Walser, Schriftsteller)
- "...viel zu ängstlich an einem Kirchenbild der Vergangenheit festhält." (Christian Weisner, Reformbewegung "Wir sind Kirche")
- "...überhaupt nicht merkt, dass seine Kirche eine Konserve von vorgestern ist, deren Verfallsdatum überschritten ist." (Prof. Uta Ranke-Heinemann, Theologin)
- "...überflüssig ist, wie der ganze Vatikan im übrigen." (Uwe Ochsenknecht, Schauspieler)
- "...dazu gelernt hat, weil er, der sich unfehlbar sieht, seine Regensburger Vorlesung mit Fußnoten korrigiert hat." (Günter Grass, Literaturnobelpreisträger)