Zoo: Anti-Babypille für Nilpferd-Oma
Die Tiere werden immer älter. Das stellt besondere Herausforderungen an die Haltung.
<strong>Dortmund/Wuppertal/Krefeld. Artig öffnet Rosl ihr riesiges Maul, lässt sich eine brikettgroße Tablette auf die rosa Zunge legen und schluckt sie gehorsam runter. Die tägliche Einnahme der Anti-Babypille ist für die Flusspferddame im Gelsenkirchener Zoo zur Routine geworden. "Mit ihren fast 50 Jahren und nach 13 Kindern wollen wir ihr keine Schwangerschaft mehr zumuten", sagt Zoo-Mitarbeiterin Sabine Haas. Die betagte Dickhäuterin - Flusspferde können bis zu 60 Jahre alt werden - hat sich einen ruhigen Lebensabend verdient. Rosl ist eines von vielen alten Tieren in Deutschlands Zoos. Denn wie bei den Menschen sorgt eine immer professionellere medizinische Versorgung für eine zunehmend ältere Zoo-Bevölkerung. "Auch bessere Haltungsbedingungen haben dazu beigetragen, besonders bei den Säugetieren", sagt der Tierarzt und Leiter der deutschen Gesellschaft für Zootiermedizin, Wolfram Rietschel. Der "demografische Wandel" stellt die Zoos und Tierärzte vor neue Herausforderungen. Sie müssen sich verstärkt um altersbedingte Krankheiten wie Tumore kümmern, die Ernährung altersgerecht umstellen und zusätzlichen Platz für Junge schaffen.
Rosl ist trotz ihrer Zipperlein weiter die Chefin im Flusspferdhaus
Neben der Anti-Babypille erhält die Gelsenkirchener Flusspferd-Rentnerin Rosl noch Aufbaupräparate für ihre Gelenke. Eine Arthrose macht ihr zu schaffen. "Wir achten darauf, dass sie viel im warmen Wasser liegen kann", sagt Haas. Das entlastet die Gelenke und lindert die Beschwerden. Doch trotz ihrer Zipperlein ist Rosl immer noch die Chefin im Flusspferdhaus. Nicht nur gegen ihren langjährigen Partner Ernie, sondern auch gegen drei junge Kühe hat sie ihre Führungsansprüche durchgesetzt.
Zu den Senioren im Krefelder Zoo gehören auch Siamang-Frau Katrin aus der Familie der Gibbons (33, fünf Jahre über der Lebenserwartung in freier Wildbahn), die kürzlich noch ein Implantat gegen Schwangerschaft erhielt. "Steinalt" ist mit seinen 17 Lenzen auch der Vater der Kleinen Pandas, der Schwarze Jaguar Jackson (19) oder Faultier-Weibchen Lulu (37). Petra Schwinn: "Da sieht man, dass ein Leben ohne Stress ein langes werden kann."
Senioren-Zoo Einige Tiergärten haben spezielle Rentnergruppen eröffnet. In Dortmund verbringen beispielsweise zwei Amurleoparden ihren Lebensabend in einem vergleichsweise kleinen Gehege. Für den ältesten Amurleopard Europas (Foto) reiche die kleine Anlage aus, sagt Tierpflegemeister Hans-Joachim Sill. Die greise Raubkatze, die mit ihren 27 Jahren die durchschnittliche Lebenserwartung ihrer Artgenossen um rund zehn Jahre überboten hat, ist nicht mehr so mobil wie vor einigen Jahren.
Alterspflege "Er liegt viel und schafft es auch nicht mehr, alle Körperteile zu putzen", berichtet Sill. Dass der Leoparden-Opa die Fellpflege schleifen lässt, zeigt der verfilzte Pelz an Nacken und Hinterpfoten. Seinem Nachbarn sieht man dagegen die 20 Jahre noch nicht an. Er kam vor rund einem Jahr in den Altersruhesitz nach Dortmund. "Beide Leoparden bekommen nur noch zartes, leicht verdauliches Fleisch - viel Huhn beispielsweise", sagt Sill.
Ratgeber Die tierischen "Rentner" stellen die Zoos aber nicht nur vor Herausforderungen, sondern können auch wichtige Ratgeber für die Gruppe sein. "Bei Elefanten sind beispielsweise die alten Tanten enorm wichtig. Sie haben schon die ein oder andere Geburt erlebt und können jungen Elefantenkühen zeigen, wie es funktioniert. Das kann kein Pfleger", sagt Sill.