Bernhard Bueb: „Auch Lehrer müssen kündbar sein“
Bernhard Bueb, ehemaliger Direktor des Elite-Internats Schloss Salem, ist gegen den Beamtenstatus und für ein neues Lehrerbild.
Düsseldorf. Der ehemalige Direktor des Elite-Internats Schloss Salem fordert im WZ-Interview neue Strukturen in deutschen Schulen und die Abschaffung des Beamtenstatus für Lehrer.
Herr Bueb, Ihr neues Buch trägt den Titel "Von der Pflicht zu führen". Ist es sinnvoll, den Begriff "führen" in Zusammenhang mit Bildung zu verwenden?
Bueb: In der Wirtschaft wird der Begriff Führung heute völlig unbefangen verwendet. Wir sollten uns auch in pädagogischen Gefilden zu den guten alten deutschen Begriffen bekennen und nicht der Mode folgen, von Leadership zu sprechen. Außerdem möchte ich bewusst machen, dass sich jeder, der führend tätig ist, ständig bilden muss.
Gibt es an den Schulen in Deutschland eine Führungskultur?
Bueb: Lehrer sind zwar führend tätig, sie erfahren aber selbst keine Führung und werden nicht geschult, wie man führt. Vielen geht es nicht darum, Kinder in ihrer Persönlichkeit zu stärken, dem wichtigsten Ziel von Führung, sondern den Lehrplan zu erfüllen. Lehrer unterrichten oft Fächer und keine Schüler.
Schließt die Schulstruktur nicht Führung aus? Ein Schulleiter ist doch auch ein primus inter pares.
Bueb: Das stimmt. Die Position des Schulleiters ist als eine Verwaltungsposition beschrieben und nicht als Führungsposition.
Wie lässt sich das ändern?
Bueb: Die Position des Schulleiters muss zu einer Führungsposition umgeschrieben werden. Das Entscheidende, was ihm fehlt, ist ein Kontrollinstrument. Er erfährt über den Unterricht des Lehrers nur etwas durch das Gerede der Schüler. Ein Unterrichtsbesuch hilft ihm nichts, weil die Unterrichtssituation schon verfälscht ist, wenn er die Klasse betritt. Und außerdem kann er gar nicht so häufig in die Klasse gehen wie es nötig wäre, um sich ein Bild zu machen.
Das heißt?
Bueb: Ich schlage vor, dass jeder Schüler einmal im Jahr einen Fragebogen über die Qualität des Unterrichts der Lehrer ausfüllt und unterschreibt. Denn ich bin gegen jede Form der anonymen Bewertung. Der Fragebogen geht an den Schulleiter, der dann einmal im Jahr ein Gespräch mit dem Lehrer führen muss.
Solche Bewertungen fallen aber auf die Schüler zurück.
Bueb: Die Angst der Schüler vor Repressionen ist natürlich groß. Deshalb darf der Fragebogen nicht an den betroffenen Lehrer gehen, sondern an seinen Vorgesetzten. Genauso fordere ich übrigens, dass sich der Schulleiter von den Lehrern bewerten lassen muss. Und das geht dann an seinen Vorgesetzten.
Aber das Grundproblem bleibt doch. Der Schulleiter hat kein Instrument, einen schlechten Lehrer zu sanktionieren. Er kann auch keinen guten Lehrer belohnen.
Bueb: Es gibt ja inzwischen Bemühungen der Kultusministerien, Leistungszulagen zu gewähren. Die haben aber einen Pferdefuß: Nach welchen Kriterien will ein Schulleiter eine Leistungszulage geben, wenn er gar nicht weiß, was im Unterricht geschieht? Das ist dann sehr willkürlich. Dazu wäre so ein Instrument wie ein Fragebogen sehr nützlich. Außerdem müssten auch Lehrer kündbar sein wie Angestellte in jeder Firma.
Das würde die Abschaffung des Beamtenstatus’ bedeuten.
Bueb: Das Beamtentum wird schon deswegen nicht mehr lange überleben, weil es nicht mehr bezahlbar ist.
Das sehen aber nicht alle so.
Bueb: Lehrer in den neuen Bundesländern sind keine Beamten. Westliche Länder nützen diese Situation aus und locken mit der Zusage der Verbeamtung gute Lehrer ab. Es ist eine unglaubliche Misswirtschaft, dass die reichen Länder hier ganz unverhohlen ihren Reichtum ausspielen.
Sind zentrale Prüfungen ein Instrument zur Leistungskontrolle?
Bueb: Zentrale Prüfungen kontrollieren die Leistungen von Schülern, nicht von Lehrern. So pauken die Lehrer mit den Schülern etwa nur, um die Bedingungen des Zentralabiturs zu erfüllen. Aber sie erfüllen deswegen nicht die Forderung, sich um die einzelnen Schüler zu kümmern.
Wenn die Führung an einer Schule stimmt, ist dann das Schulsystem zweitrangig?
Bueb: Wir verändern dauernd nur Strukturen, aber nicht die Personen, die die Strukturen mit Leben füllen - die Lehrer.
Sie bezeichnen die Bildungspolitik als Hühnerstall.
Bueb: Damit meine ich, dass Hühner mit den Flügeln schlagen, wenn der Fuchs in den Stall kommt, sich aber nach kurzer Zeit wieder auf die Stangen setzen. Pisa war ein solcher Fuchs, der den bildungspolitischen Stall betrat. Alle haben sich aufgeregt, sind aber kurz darauf wieder zur Tagesordnung übergegangen. Maßnahmen wie das Zentralabitur sind nur ein Feilen an Symptomen, sie bringen für die Qualität der Schule nicht viel.
Was fordern Sie stattdessen?
Bueb: Es müsste die Ganztagsschule eingeführt werden. Lehrer müssen auch Erzieher werden und bereit sein, nicht nur am Morgen zu unterrichten, sondern Schüler auch am Nachmittag zu begleiten. Zudem fordere ich ein neues Selbstverständnis des Lehrers und dass an Schulen eine Führungskultur entsteht. Wie sagten schon Bildungsreformer: Lehrer müssen bereit sein, aus Unterrichtern zu Menschenbildnern zu werden. Das gilt auch heute noch.