Blumen als Symbole für Erinnerungen

Borken (dpa/tmn) - Gräber sind den Menschen wichtig: Man hegt und pflegt die Ruhestätte der geliebten Verwandten. Vor allem nimmt man sich viel Zeit für die Auswahl der Pflanzen. Diese können mehr als nur ein hübscher Schmuck sein - sie zeugen vom Leben der Verstorbenen.

Pflanzen werden nicht nur zum Begrünen von Flächen verwendet, sondern auch, um Gefühle mitzuteilen. Man ordnet Pflanzen eine tiefere Bedeutung zu. „Die Symbolik hat sich daraus entwickelt, dass den Menschen an Pflanzen besondere Dinge aufgefallen sind“, sagt Christiane James, Autorin von Büchern zum Thema Grabgestaltung. „Die Eibe beispielsweise ist auf der einen Seite giftig - daher gilt sie traditionell als Totenbaum und ist Symbol für den Tod. Gleichzeitig ist das Holz sehr hart und die Pflanze langlebig. Folglich ist die Eibe gleichzeitig Symbol für die Unsterblichkeit und Wehrhaftigkeit.“

Die Pflanzensymbolik war lange in Vergessenheit geraten, obwohl sie bereits in der frühen Geschichte der Menschheit von Bedeutung gewesen ist und sich in verschiedenen Kulturkreisen entwickelt hat. „Pflanzensymbolik ist eine der wenigen Sprachen, die international ist“, sagt Andreas Mäsing, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Deutschen Friedhofskultur (VFFK) in Borken in Nordrhein-Westfalen.

Häufig sind es Heilkräfte und Eigenschaften der Pflanzen, die in der Symbolik verschlüsselt werden. Darüber hinaus versteckt sich eine Mischung aus Naturwissenschaft, Religion, Kulturgeschichte und Philosophie hinter den Zuweisungen.

„Die herbstblühende Heide steht für Blut und Leid“, nennt Christiane James ein Beispiel. Früher haben Kriege und Kämpfe auf offenen Flächen, auf denen vielfach Heidekraut wachse, stattgefunden. „Wenn sich das Schlachtfeld im Herbst zur Zeit der Blüte rot färbte, so meinten die Menschen, dass es sich um das Blut der verwundeten und gefallenen Soldaten handelte.“

Solche Zuschreibungen suchen auch Trauernde in der Bepflanzung eines Grabes, sagt Mäsing. „Wenn man in der Situation ist, ein Grab zu bepflanzen, wird die Pflanzensymbolik zur Tür für das Handeln.“ Die Pflanzenauswahl bietet die Möglichkeit, den verstorbenen Menschen zu beschreiben, und Dinge, die einem am Herzen liegen, auszudrücken.

Ein wichtiges Merkmal sei die Form der Blätter. „Das dreiteilige Blatt der Waldsteinie wird im christlichen Umfeld als Symbol der Heiligen Dreifaltigkeit angesehen“, sagt die Gärtnerin Christiane James. Und Mäsing ergänzt: „Dreiteilung kann auch für Vater, Mutter, Kind oder Sonne, Mond und Sterne stehen.“ Zudem kann die Wuchsform Gefühle zum Ausdruck bringen: „Am deutlichsten wird das bei den hängenden Bäumen, die ein Symbol für die Trauer sind“, sagt James.

Über Farben werden weitere Aspekte ausgedrückt. Chrysanthemen stehen generell für ein langes Leben und die Liebe über den Tod hinaus, sagt James. Gelbblühende Sorten können laut Mäsing zudem noch als Symbol für den Reichtum des Lebens gedeutet werden. „Gelb ist in der japanischen Kultur die Farbe des Kaisers, und gleichzeitig steht sie als Farbe der Sonne für Wärme und Glück“, ergänzt James.

Während Rot, die Farbe von Blut, für die Liebe steht, symbolisiert die Farbe des Himmels und des Wassers, Blau, Treue. „Das spiegelt sich in den Namen blaublühender Pflanzen wie Männertreu, Vergissmeinnicht und Gedenkemein wieder“, sagt Mäsing. Der Frieden und die Unschuld werden mit weißen Blüten, meist Lilien, ausgedrückt.

Grün symbolisiert vor allem im Koran das Leben. „Zugleich wird alles Grüne als Ausdruck der Hoffnung angesehen“, sagt Mäsing. In der Farbe Lila mischten sich das als warm empfundene Rot und das kühle Blau harmonisch. „Man kann sagen, dass sich bei der Farbe Lila Liebe und Treue in vollkommener Harmonie treffen.“

Wird ein Teil des Grabes regelmäßig neu bepflanzt, bietet diese Fläche zahlreiche Möglichkeiten, die Pflanzensymbolik umzusetzen. Die Mischung kann so ganze Lebensgeschichten erzählen: „Bei einem Familienvater kann man zunächst auf Farb- und Pflanzenvorlieben eingehen“, nennt James ein Beispiel. Früchte würden seine Kinder symbolisieren. „War er Jäger, kann man ein Stück Baumrinde oder einen Ast auf dem Wechselbeet platzieren.“ Und sein Abschied aus dem Leben wird so dargestellt: „Mit zarten Gräserrispen deutet man an, dass die Seele wie ein Schmetterling davonfliegt.“