Bollenhut und Kuckucksuhr: 900 Jahre Baden

Karlsruhe (dpa) - Sind Bollenhut und Kuckucksuhr wirklich typisch für den Schwarzwald, und was macht eigentlich einen Badener aus? Das sind nur einige Fragen, mit denen der Besucher zu Beginn der Ausstellung in Karlsruhe eingestimmt wird.

Wer Antworten darauf haben will, sollte sich Zeit nehmen.

Denn die Landesausstellung „Baden! 900 Jahre. Geschichten eines Landes“ zeichnet anlässlich des Jubiläums nicht nur die Historie nach. Sie räumt auch mit Klischees auf und bietet kleine und größere (Wieder-)Entdeckungen. Zum Beispiel, dass der Skilift eine badische Erfindung ist. Und wer es noch nicht wusste, hat es eingangs schwarz auf weiß: „Baden gründete Stuttgart!“.

Das Badische Landesmuseum präsentiert die bewegte Geschichte des heutigen Landesteils von Baden-Württemberg im Karlsruher Schloss, der ehemaligen Residenz der badischen Markgrafen und Großherzöge. Von diesem Samstag an sind bis zum 11. November rund 400 Exponate zu sehen, darunter auch hochkarätige Kunstwerke.

Wie dokumentiert man 900 Jahre auf 1000 Quadratmetern? Der Besucher wird zunächst auf einem symbolischen roten Teppich zu einer Urkunde von Kaiser Heinrich V. aus dem Jahr 1112 geführt, auf die sich das Jubiläum bezieht: Darin wird der Herrschaftstitel „Markgraf von Baden“ erstmals erwähnt. Dahinter thront ein Modell der Stammburg Hohenbaden, die von den Markgrafen hoch über dem heutigen Baden-Baden errichtet wurde. Flankiert von den Burgen Rötteln bei Lörrach und Hachberg bei Emmendingen zeugt sie von der mittelalterlichen Herrschaft der Badener am Oberrhein.

Dass die sich lange auch im tiefsten Schwaben tummelten, belegt neben Urkunden und Münzen auch ein romanisches Türteil eines herrschaftlichen Gebäudes, das an der Stelle des Alten Schlosses Stuttgart stand. Schließlich ist die Schwabenmetropole „im Kern auch eine Gründung der Badener“, wie Kurator Oliver Sänger es ausdrückt.

Dafür ist der heute in aller Welt vermarktete Schwarzwälder Bollenhut eigentlich schwäbisch. Denn die drei Orte, in denen der Hut getragen wird, gehörten bis 1810 zu Württemberg. Und frühe Formen der Kuckucksuhr, die in der Ausstellung an einer Wand gleich dutzendfach zu sehen und zu hören ist, sollen böhmische Vorbilder gehabt haben.

Überhaupt ist es mit Baden nicht ganz einfach: Historische Gemälde, Verträge und Karten zeigen, dass sich das Land anfangs je nach Heirat und Erbteilung wandelte. Die heutige Gestalt und Aufwertung zum Großherzogtum im Jahr 1806 verdankt es Napoleon. Wie darüber damals gedacht wurde, verdeutlicht eine zeitgenössische Radierung, auf der der französische Kaiser als „Königsbäcker“ verspottet wurde.

Ein Holz-Laufrad veranschaulicht in der Schau, dass es auch Erfinder wie Karl Drais und Autobauer Carl Benz sowie Projekte wie die Rheinbegradigung Tullas und der Bau der Schwarzwaldbahn sind, die den Ruf als Musterländle begründen.

Die unrühmlichen Seiten der Geschichte werden nicht ausgespart: Die Badener hatten mit dem Gauleiter Robert Wagner einen besonders üblen Nazi. Er deportierte schon 1940 mehrere tausend Juden nach Gurs und war für die Tötung psychisch Kranker verantwortlich. In der Ausstellung ist das Ausgangsbuch der „Heil- und Pflegeanstalt“ Emmendingen zu sehen, das die menschenverachtende Ideologie verdeutlicht.