Bootsbauerin aus Leidenschaft
Seit fast 20 Jahren schraubt Regina Dilcher in Köln an ihrem Schiff. Aufs Wasser kommt der Katamaran nicht mehr.
Köln. Über dem Tisch hängt eine Schiffslampe aus Messing, das Bild eines Leuchtturms lehnt an der Wand. Regina Dilcher sitzt in ihrem Zuhause, einem ausgebauten, hochwassersicheren Container auf Stelzen im Köln-Mülheimer Hafen. Ihr Blick fällt durchs Fenster und auf das Projekt ihres Lebens. Da steht er, der Katamaran - auf dem Trockenen.
"Hier gibt es mehr tragische Geschichten als erfolgreiche", sagt die 53-Jährige und meint damit die Privatleute, die auf dem Gelände der Kölner Schiffswerft ihre Boote bauen. Nur wenige schaffen es, ihr Boot tatsächlich aufs Wasser zu bringen. Weil irgendwann das Geld ausgeht oder die Kraft nachlässt. Dilcher spricht auch von sich selbst.
Es ist Jahre her, da stehen Regina Dilcher und ihr Mann auf einer Klippe am Meer und beobachten die Segler auf dem Wasser. "Da dachte ich mir, das muss ich lernen", sagt die 53-Jährige. Dilcher arbeitet damals noch bei der Bundeswehr, sie heuert bei einem Verein der Marine an. Sie ist die erste Frau, die der Verein aufnimmt. Schon bald träumen sie und ihr Mann von einer Weltumseglung.
Aber Katamarane sind teuer, das Ehepaar entschließt sich zum Selbstbau. Zu der Zeit leben die Dilchers noch in der Eifel. Sie pendeln täglich nach der Arbeit zur Kölner Werft. Oft arbeiten sie zu dritt bis spät in die Nacht - ein Freund beteiligt sich am Bau. Nach einem Jahr steht das Spantgerüst - sozusagen das Skelett - des achteinhalb Meter breiten und 16Meter langen Schiffes.
Was dann kommt, nennt Dilcher "das Desaster". Weihnachten 1993 hält der Deich am Werftgelände dem Hochwasser nicht mehr stand. Die Wassermassen schwappen in den Hafen und heben das Schiff aus der Halterung. Mühsam kann das Ehepaar das Boot zurück an seinen Standplatz schleppen. Die Dilchers haben zunächst Glück. Das Boot ist kaum zerstört.
Doch wenig später fegt der Orkan Lore durch Köln und zerlegt die Rümpfe in ihre Einzelteile. "Als ich das gesehen habe, habe ich mich wortlos umgedreht", erinnert Dilcher sich. "Ein Jahr Arbeit - und alles Schrott." Die Dilchers geben nicht auf. Sie fangen von vorn an und ziehen in den Köln-Mülheimer Hafen, um mehr Zeit fürs Schiff zu haben.
Rund 15Jahre später blickt Dilcher immer noch von ihrem Küchenfenster aus auf den Katamaran. Ihr Mann sitzt nicht neben ihr. Er starb - vollkommen unerwartet -, noch bevor das Ehepaar das Schiff fertigstellen konnte. "Für mich war der Tod meines Mannes ein riesiger Schock", sagt Dilcher. An die Weltumseglung glaubt sie nicht mehr. Sie ist im Vorruhestand, für Mast und Segel fehlt das Geld.
Aber Regina Dilcher ist ein Mensch, der das Positive sieht. Ihre Motivation hat sie nie verloren. Sie hat bereits neue Pläne. Nach dem Tod ihres Mannes beginnt Dilcher ein Studium. Heute ist sie Kreativ-Therapeutin und schraubt immer noch am Katamaran.
Ihr Ziel: Den Innenausbau des Schiffes will sie bald zu Ende bringen, das Schiff als Kreativ-Boot für die therapeutische Arbeit und Lesungen nutzen. Schwimmen wird der Katamaran nur, wenn das Rheinwasser aufs Gelände schwappt. Die Schiffsbauerin hat sich damit abgefunden. "Aus der Weltreise wurde eine Reise ins Innere", sagt sie.