Breivik verlangt Freispruch

Der Angeklagte präsentiert sich noch einmal als hasserfüllter Zyniker. Er habe „präventiv“ gehandelt.

Oslo. Am Ende ermahnte der Massenmörder seinen Verteidiger noch einmal. Der Anwalt Geir Lippestad sollte im kleinen Osloer Gerichtssaal Nummer 250 Freispruch für Anders Behring Breivik fordern. Freispruch für den Mann, der nicht bestreitet, 77 Menschen getötet zu haben. Freispruch für den Mann, den der Osloer Anwalt in seinem Plädoyer zuvor selbst als „zynischen Terroristen“ mit politischen Motiven und durchdachtem Handeln einstufte.

Im Schlusswort präsentierte sich Breivik als hasserfüllter Zyniker mit der Hoffnung auf weitere Massenmorde. Das Durchschnittsalter der erschossenen Sozialdemokraten auf Utøya habe bei über 18 Jahren gelegen. „Die Angriffe am 22. Juli waren präventiv, und deshalb kann ich keine strafbare Schuld anerkennen“, begründete er die groteske Forderung nach Freispruch.

Auch der Abschluss des Verfahrens nach 43 Verhandlungstagen förderte nicht immer erklärbare und oft schwer erträgliche Paradoxe zutage: Erst plädierte die Staatsanwaltschaft darauf, den Mörder als nicht schuldfähig in eine Psychiatrie einzuweisen. Im Zweifel für den Angeklagten, und sei das Verbrechen noch so schrecklich. Dann zerpflückte Verteidiger Lippestad Gutachten von Rechtspsychiatern — die Basis des Plädoyers der Anklage.

Der Verteidiger präsentierte seinen Mandanten — ganz in dessen Sinn — als überlegt handelnden Massenmörder, der mit seiner Bombe in Oslo und beim Massaker auf Utøya genau wusste, was er tat: „Grundlage dieser Taten sind keine krankhaften Gewaltfantasien, sondern eine extremistische Grundhaltung“, sagte Lippestad. Man dürfe Breivik nicht die Verantwortung für seine Handlungen nehmen, indem man ihn für krank erkläre.

Ausgerechnet der Verteidiger sprach damit vermutlich den meisten Angehörigen der Opfer und Überlebenden aus der Seele. Sie hatten während des Prozesses erschütternde Zeugenaussagen abgelegt. Breiviks Auftritte waren für die meisten unter ihnen oft kaum zu ertragen.

Als Verlierer in diesem Prozess gilt die norwegische Rechtspsychiatrie mit zwei gegensätzlichen Gutachten. Wie das Urteil der Richter am 24. August ausfällt, ist völlig offen. Wird Breivik als unzurechnungsfähig eingestuft und in die Psychiatrie geschickt oder kommt er für vielfachen Mord in terroristischer Absicht für 21 Jahre ins Gefängnis?