Briefkasten-Bombe: Charlyn kann wieder lächeln
Eine Bombe hätte fast ihren rechten Arm abgerissen – jetzt geht es der Zwölfjährigen deutlich besser.
Berlin. Charlyn lächelt ihre Besucher an, so offen und neugierig, als gebe es um sie herum keine Intensivstation und kein Krankenhaus. Zwölf Tage ist es her, dass sie in Berlin durch eine Bombe im Briefkasten ihrer Familie lebensgefährlich verletzt wurde.
Erst seit wenigen Stunden weiß Charlyn (12), dass ihr inzwischen verhafteter Onkel die Bombe gelegt hat, die ihr fast den Arm abriss. Dennoch wirkt sie äußerlich ruhig, fast gelassen.
"Es geht mir um einiges besser", sagt sie und blickt auf ihren dick bandagierten Arm. "Ich kann schon wieder drei Finger bewegen." Geweint hat sie, als ihre Klassenkameraden ihr große Transparente mit lieben Grüßen schickten. "Das hat mich echt vom Stuhl gehauen", sagt sie.
Vor einer Woche holten die Ärzte des Berliner Unfallkrankenhauses das Mädchen nach dem Anschlag aus dem künstlichen Koma, und niemand wusste, ob sie wieder sehen, hören oder sprechen können würde. Doch Charlyn sprach sofort, hören und sehen konnte sie auch. Die Brandwunden in ihrem Gesicht begannen zu verheilen.
Am vergangenen Mittwoch war klar, dass ihr zerfetzter Arm nach mehreren Operationen sehr gute Chancen hat, erhalten zu bleiben. Für alle anderen Prognosen ist es noch zu früh. "Charlyn geht mit der ganzen Situation exzellent um", sagt Handchirurg Andreas Eisenschenk.
Charlyns Mutter Christine J. wollte zunächst nicht, dass ihre Tochter erfährt, was genau mit ihr passiert ist. Tagelang lag Charlyn abgeschirmt im Krankenhaus, doch in einem unbeobachteten Moment griff sie zur Fernbedienung und zappte sich durch die TV-Kanäle. Dann wusste sie Bescheid. "Sie hat mir gesagt, sie habe das alles geahnt", erzählt ihre Mutter. "Sie war glücklich, dass uns nichts passiert ist."
Bald darf Charlyn mehr Besuch in ihr Krankenzimmer bekommen. "Ich wünsche mir meine ganze Klasse her und meine Freunde", ergänzt sie. "Du fehlst uns allen, sogar den Jungs", steht auf dem Genesungsplakat ihrer Mitschüler zu lesen.
Die Polizei hatte nach dem mutmaßlichen Bombenleger Peter J. gefahndet, wie zuvor nur nach dem Kaufhauserpresser "Dagobert". Inzwischen hat er gestanden. Über mögliche Gründe für die Tat kann seine Stiefschwester kaum etwas sagen.
"Er hat uns im Sommer schon einmal bedroht, aber das hat keiner ernst genommen", sagt sie. In E-Mails hatte J. von einem Familienstreit gesprochen. Die Mutter zuckt mit den Schultern. "Ich weiß es nicht." Es ist nicht das, was sie beschäftigt. Sie ist für Charlyn da.
Sie sei unendlich dankbar dafür, dass es ihrer Tochter schon wieder so relativ gut gehe - nach lebensgefährlichen Verletzungen, die selbst Chirurg Andreas Eisenschenk an Krieg erinnerten.
Wenn sie von Charlyn erzählt, scheint ein Teil der Last der vergangenen Wochen von ihre Mutter abzufallen. Sie schildert, wie gern Charlyn zeichnet, dass sie Musik hört und endlose Telefonate liebt. Und dass sie sich gern die Haare chic macht.
Noch können die Ärzte nicht sagen, wie sehr Charlyn ihren Arm später belasten kann. Bis Anfang Februar bleibt Charlyn mindestens im Krankenhaus, fünf weitere Operationen liegen vor ihr. Das schreckt sie nicht. Nur ihren Berufswunsch, Tierärztin, beginne sie gerade zu überdenken, sagt sie. "Ich kann so schlecht Blut sehen."