Britney Spears’ Nullnummern-Revue

Mit ihrem Konzert in Berlin erregte die Sängerin Mitleid.

Berlin. Im Zirkus will der Mensch lachen. Vor Rührung sogar weinen. Immer staunen. Und manchmal bangen. Zirkus, in seiner gelungenen Form, ist ästhetische Leichtigkeit und die ersehnte Abwesenheit von Gleichmaß wie Langeweile, für zwei Stunden. Warum in aller Welt nur haben die Männer, die an der Pop-Marionette Britney Spears die millionenschweren Rechte halten, ihr das angetan?

"Circus" war (analog zur aktuellen CD) das einzige Deutschland-Konzert der hoch gestiegenen und tief gefallenen Sängerin in Berlin übertitelt. Eine auf schiere Überwältigung angelegte Mixtur aus Peepshow, Disneyland und Aerobic-Kurs wurde es. Wie "Cirque de Soleil" - nur ohne Sonne. Wie "Starlight Express" - nur ohne Licht. Eingekerkert in eine Choreographie, die zwischen Feuerstößen, Nebelkaskaden und Goldregen keinen Schritt dem Zufall überließ.

Für sich genommen wären die überreizten Zitate aus Village-People-Schwulenästhetik, Rocky-Horror-Picture-Show, Moulin-Rouge und Madonnas Softpornoliebeleien noch zu verschmerzen gewesen; aber das Dieterbohlenmäßige der vollständig ironiefreien Darbietung erregte bald nur noch Mitleid. Verging doch kaum eine Minute, ohne dass irgendwo in dieser geschlossenen Manegen-Anstalt mit all ihren Clowns und Claqueuren sitzend, liegend, hängend und Po-wackelnd einschlägige Verkehre simuliert wurden, was nachträglich Zweifel am Geisteszustand von Bob Dole nährt.

Der US-republikanische Präsidentschaftskandidat hatte Spears einmal als die "großartigste Botschafterin der Jungfräulichkeit" belobigt. Was schon vor zehn Jahren herrlicher Unsinn war, als die Baptisten-Tochter wohl kalkuliert die Pausenhof-Lolita zu geben hatte.

Ach so, es wurde auch gesungen irgendwo mitten in dieser von "Radar" über "Freakshow" und "Womanizer" bis "Toxic" straff durchrhythmisierten, unerträglich basslastigen Stampfmusik, in der selbst die markigste Stimme dem Untergang geweiht gewesen wäre. Weil die von Frau Spears aber kieksig wie eh und jeh ist und so gar nicht das Gemüt erreichen will, erscheint die Frage, ob jemand bei dieser Hochleistungshopserei live singt oder nur die Lippen zur Konserve vom Band bewegt, fast unerheblich.

Zehn Jahre nach "Baby One More Time", neun Jahre nach "Oops! I Did It Again" und ein Jahr nach einer längeren Phase mit Alkohol-, Drogen-, Gewichts-, Nerven-, Frisur- und Eheproblemen ist die Frau wieder da. Ihr sah die globale Klatschpresse einst zu, als sie wegen ihres Borderline-Verhaltens in der Zwangsjacke aus ihrem Haus geführt wurde.

Wer den "Circus" in Berlin versäumt hat, hat nichts verpasst. Die Zirkusdirektorin ist eine tragische Figur. Das beste Lied des Abends war die Eurythmics-Hymne "Sweet Dreams", zu der sich Frau Spears auf einer Multimedialeinwand räkelte - in der Version von Marylin Manson. Sicher, auch nur geklaut. Aber das wenigstens zirkusreif.