Bruder gesteht tödliche Schüsse auf Arzu Ö.
Detmold (dpa) - Drei Geschwister einer kurdischen Familie aus Detmold haben gestanden, ihre jüngere Schwester Arzu Ö. entführt und getötet zu haben. Eine Mordabsicht stritten sie aber zum Auftakt des „Ehrenmord“-Prozesses vor dem Landgericht Detmold am Montag ab.
Der 22-jährige Osman Ö. sagte, er habe die Kontrolle über sich verloren und die 18-jährige Arzu erschossen. Ebenso wie seine Schwester Sirin (27) und sein Bruder Kirer (25) gestand er auch die Entführung Arzus im November 2011.
Das Trio ist wegen Mordes und Entführung angeklagt. Allen dreien droht eine lebenslange Haftstrafe. Zwei weitere Brüder müssen sich wegen Geiselnahme mit Todesfolge verantworten. Hier liegt der Strafrahmen zwischen 10 und 15 Jahren.
Die Staatsanwälte gehen von einem „ehrbezogenen“ Tatmotiv aus: Arzus jesidische Familie habe deren Liebesbeziehung zu einem deutschen Bäckergesellen aus religiösen Gründen nicht dulden wollen. Der Ungehorsam gegenüber der Familie sollte bestraft werden, sagte Staatsanwalt Ralf Vetter und sprach von „archaischer Tradition“ und „vermeintlicher Familienehre“. Arzu sei mit zwei aufgesetzten Schüssen an der linken Schläfe getötet worden.
Arzu war am 1. November spurlos aus Detmold verschwunden. Fünf ihrer neun Geschwister gerieten rasch in Verdacht und kamen in Haft, die drei Hauptverdächtigen schwiegen aber. Zehn Wochen lang suchte die Polizei nach Arzu. Im Januar wurde ihre Leiche in Schleswig-Holstein entdeckt.
Eigentlich hätten sie ihrer jüngeren Schwester nur „den Kopf waschen wollen“, um sie zur Vernunft zu bringen, sagte Sirin Ö. vor Gericht. Doch dann sei alles anders gekommen. Bei einer Rast in einem Waldstück bei Lübeck seien plötzlich zwei Schüsse gefallen, schilderte die 27-Jährige. Osman sagte, Arzu habe ihn bespuckt und beschimpft. Da habe er geschossen.
Zuvor hatte Sirin Ö. berichtet, Arzu habe seit dem Frühjahr 2011 getrunken und Drogen genommen und sich immer mehr von ihrer Familie entfernt. Im Spätsommer sei Arzu von der Familie verprügelt worden und kurz darauf weggelaufen. Arzu zeigte die Familie an, die verstieß ihre Tochter. Sirin Ö. sagte vor Gericht, sie habe auch danach noch ihre verstoßene Schwester mit aller Macht in die Familie zurückholen wollen.
Arzus damaliger Freund Alexander K. sagte aus, die 18-Jährige, die in der Bäckerei jobbte, habe Angst vor der Familie gehabt. Die habe schon zwei Flugtickets in die Türkei besorgt. Dort sollte sie zwangsverheiratet werden. Einmal habe sie auch eine Unterhaltung von Osman mit dem Vater belauscht: Osman habe gesagt, man könne doch Arzu einfach im Wald verscharren und sie als vermisst melden, berichtete der 23-jährige Bäcker.
Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten Menschenrechtsvereine gegen sogenannte Ehrenmorde. Vertreter von Terre des Femmes und Peri forderten gerechte Strafen. Es dürfe keinen „Kulturbonus“ für „Ehrenmorde“ geben.
Zunächst sind bis zum 16. Mai vier weitere Verhandlungstage angesetzt. Der Vater des Opfers ist nicht als Zeuge geladen. Er gilt zwar als Beschuldigter, das Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde aber abgetrennt.