Bürgermeister: Londons Wahl, Londons Qual
Die Umfragen sehen Amtsinhaber Boris Johnson bei der Bürgermeister-Wahl vorn. Er gilt als lustiger Chaot, doch seine Bilanz fällt mau aus.
London. Mit dem Namen Alexander Boris de Pfeffel Johnson kann man in England kaum den seriösen Staatsmann mimen. „BoJo“ versucht es deshalb gar nicht erst: Wenn der Bürgermeister der Riesenmetropole neben Premier David Cameron flaniert, dann schiebt er sich das taktisch derangierte Haupthaar tapsig von der Stirn, zupft unterm Knittersakko den Hosenbund über seinen Bauchansatz und grinst verlegen.
Cameron schaut bei solchen Gelegenheiten gern in die andere Richtung, die sonst makellose Stirn in eine strenge Falte gelegt.
Boris Johnson kann das recht sein: Die beiden Tory-Politiker mögen gleich ticken, doch die optische Distanz zu den Konservativen ist sein gepflegter Vorteil. Ihm ist die zweite Amtszeit als Londons Stadtchef fast sicher.
Bis zu zwölf Prozentpunkte liegt der clevere Chaot in Umfragen vorn, vor allem, wie Londoner angeben, weil er „die Menschen zum Lachen bringt“. Gefragt nach guten Taten des Bürgermeisters müssen die meisten jedoch passen — außer der Abschaffung der verhassten Gelenkbusse im Zentrum und Gratis-Leihfahrräder fällt ihnen nichts ein.
Und selbst die beiden Punkte sind kaum Knaller. „Boris Bikes“, wie sie so werbewirksam heißen, haben andere Großstädte schon lange etabliert; die neuen Busse müssen die Londoner teuer bezahlen.
Seit Johnsons Amtsantritt 2008 haben sie jedes Jahr Ticketpreis-Erhöhungen und Kürzungen von Linien geschultert. Wohlhabende sind die Einzigen, die sich freuen können: Die City-Maut für ihre „Chelsea Tractors“, jene spritfressende Geländewagen, hat Johnson gesenkt.
Doch die bestenfalls durchwachsene Bilanz interessiert kaum: Johnson ist lustig — ein telegener Dampfplauderer, der Politik wie Entertainment vermittelt. „Wenn wir gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften erlauben“, sagte er etwa, „dann sehe ich keinen Grund, warum wir nicht auch die Ehe zwischen drei Männern schließen könnten — oder zwischen zwei Männern und einem Hund.“
Seine klassische Ausbildung im Oberschichten-Internat Eton kaschiert der Millionär durch einen gekonnten Drahtseilakt: Er erscheint lässig-schusselig, dabei aber nie inkompetent. Dass er während der August-Unruhen vergangenes Jahr zwei Tage brauchte, um aus dem Urlaub in die Hauptstadt zurückzukehren, nimmt dem 46-Jährigen kaum jemand krumm. Im Olympia-Jahr will die Stadt an der Spitze einen schlagfertigen Witzbold sehen.