Christiane Paul: Kamera und Bühne reichen nicht
Die gebürtige Berlinerin steht mit knapp 34 Jahren mitten im Leben: Zwei Kinder, zwei Berufe, etliche Ehrungen und jede Menge Pläne.
Düsseldorf. Sie ist promovierte Medizinerin, zweifache Mutter und eine der gefragtesten Filmschauspielerinnen im deutschsprachigen Raum. Doch für Christiane Paul scheint der Tag mehr als 24 Stunden zu haben. Denn darüber hinaus spielt sie auch noch Theater, liest Hörbucher und engagiert sich für den Welt-Aids-Tag, die Aktion "Deine Stimme gegen Armut" oder drängende Umweltfragen.
Dass sie innerhalb kurzer Zeit zwei Aufsehen erregende Premieren feiert, versteht sich insofern fast von selbst. Seit einer Woche ist sie im Düsseldorfer Schauspielhaus in einer Neuinszenierung des Tschechow-Dramas "Iwanow" zu sehen, und am 13. März kommt mit "Die Welle" auch gleich ihr jüngster Film in die deutschen Kinos.
Christiane Paul spielt hier die Frau des Gymnasiallehrers Rainer Wenger (Jürgen Vogel), der während einer Projektwoche zum Thema "Staatsformen" ein gefährliches Experiment startet. Bei dem Versuch, seinen Schülern die Entstehung einer Diktatur begreiflich zu machen, erfahren die Erwachsenen, wie schnell "Die Welle" außer Kontrolle gerät und alles mitzureißen droht, was sich ihr in den Weg stellt.
Der ambitionierte Film basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Morton Rhue und zeigt Christiane Paul einmal mehr als ausdrucksstarke, Auftritt und Wirkung klug disponierende Darstellerin.
Dass die 1974 in Ost-Berlin geborene Schauspielerin der weit geöffneten Schublade, auf der bereits das Etikett "neue Audrey Hepburn" klebte, mit Bravour entschlüpft ist, verdankt sie allerdings nicht nur ihrer Intelligenz oder dem Gespür für die passenden Rollen. Das Doppelleben als Künstlerin und angehende Medizinerin, das sie seit dem 17. Lebensjahr führte, hat sie ganz offenbar mit Gelassenheit geimpft und ihr ermöglicht, das immer hektische, allzu oft selbstverliebte Filmgeschäft auch mit kritischen Augen zu sehen.
"Ich liebe die Schauspielerei, aber auch die Medizin. Das ist meine Welt, ich brauche das", gab Christiane Paul, die aus einem Ärztehaushalt kommt, einmal zu Protokoll. Inzwischen hat sie sich aber anders entschieden: für die Kunst und gegen die Medizin.
Und für die Familie: Vor vier Monaten hat die Schauspielerin ihr zweites Kind bekommen, nach Tochter Mascha, die schon fünf ist, nun Sohn Maximilian. Verheiratet ist sie mit dem Chirurgen Wolfgang Schwenk, den sie an der Charité kennenlernte.
Christiane Pauls bisheriger Lebensweg wirkt überlegen strukturiert und lässt einen besonders ausgeprägten Organisationswillen erkennen. 1992 debütierte sie in Nikolaus Schillings "Deutschfieber" gleich mit einer Hauptrolle. Nur ein Jahr später war sie an der Seite von Götz George in "Ich und Christine" zu sehen und bestand parallel das Abitur mit der in vielen Lebenslagen hilfreichen Gesamtnote 1,2. 1996 brillierte Paul in Mark Schlichters fesselndem Drama "Ex" und wurde postwendend mit dem renommierten Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet.
Es folgten zwei Engagements, die in die jüngere deutsche Filmgeschichte eingingen: Mit "Knockin’ on Heaven’s Door" und dem furiosen Auftritt in "Das Leben ist eine Baustelle" spielte sich Paul endgültig in die erste Reihe der deutschen Nachwuchsdarsteller.
Aus der ist sie vorerst nicht mehr wegzudenken, auch wenn nicht jeder Streifen als cineastisches Highlight durchgeht. Hier und da gab es schlechte Kritiken, und manche haben die bald 34-Jährige nach eigenem Bekunden "richtig getroffen". Doch Rückschläge gehören im Metier zum Vorwärtskommen, und in dieser Disziplin hat sie es weit gebracht. Dabei scheinen ihre Leinwandpräsenz und Wandlungsfähigkeit in den vergangenen beiden Jahren noch gewachsen zu sein. Wie sonst könnte sie die Zuschauer im Beziehungsdrama "Ein verlockendes Angebot" genauso überzeugen wie in der bissigen Gesellschaftssatire "Vorne ist verdammt weit weg" oder als Angebetete von Chief Inspector Even Longer in der Komödie "Neues vom Wixxer"?
Pauls Credo ist in dieser Angelegenheit ganz offenkundig ein Erfolgsrezept: "Für mich", so verriet sie einer Frauenzeitschrift vor zwei Jahren, "ist ein guter Schauspieler jemand, der sehr wandelbar ist, dabei aber immer authentisch bleibt".
Immer neue Töne und Nuancen muss Christiane Paul auch bei der Produktion von Hörbüchern erfinden, der sie sich seit 2002 mit wachsender Begeisterung widmet, weil es ihr Spaß macht, dem Publikum die Bücher "vorzukochen". Ihr Repertoire reicht mittlerweile von "Alice im Wunderland" über Märchen von Hans Christian Andersen bis zu Rebecca Gablés "Reliquienblut und Gottesurteil" oder Martina Brandls boshafter Generalabrechnung "Halbnackte Bauarbeiter".
Mindestens ebenso gespannt darf man auf die weiteren Stationen der Theaterschauspielerin Christiane Paul sein, gerade weil ihre Auftritte hier rar gesät sind. 2004 debütierte sie als "Engel der Verzweiflung" in Heiner Müllers Revolutionsdrama "Der Auftrag", und auch die Anna im "Iwanow" zeugt von einer seltenen Vorliebe für spannende Rollen jenseits des eingeübten Repertoires.
Fussball Schauspielerin, Ärztin und Fußball-Fan - bei Christiane Paul passt vieles unter einen Hut. Sie begeistert sich für die Bundesliga, insbesondere für Bayern München. Und dort steht bekanntlich Oliver Kahn im Tor. Er spielt seine letzte Saison. Unter den Fußballern ist Kahn Christiane Pauls Favorit. Sie bewundert an ihm die "animalische Kraft", aber auch die "Präzision" und "Leistungsbereitschaft".