Christoph Maria Herbst: „Ich muss Stromberg mögen“

Interview: Der Schauspieler schöpft für seinen TV-Fiesling aus seinen Erfahrungen als Azubi in Wuppertal.

Herr Herbst, waren Sie nach den Dreharbeiten zur jüngsten "Stromberg"-Staffel froh, als Sie wieder aus der Rolle des Büro-Ekels schlüpfen durften?

Christoph Maria Herbst: O ja, das ist sogar immer das Erste, was ich nach dem letzten Drehtag tue: Ich bitte meine Maskenbildnerin, mir sofort diese Unfrisur und diesen Klobrillenbart aus dem Gesicht zu meißeln. Es war damals ja meine eigene Idee, Stromberg so aussehen zu lassen. Aber es ist schwierig, in den Drehmonaten in den Spiegel zu schauen und zehn Jahre älter auszusehen, als ich mich fühle, und es ist für mich in der Zeit auch sehr schwierig, neue Freunde zu finden.

Von solchen äußeren Attributen abgesehen: Was hassen Sie an Stromberg am meisten?

Herbst: Das kann ich eigentlich gar nicht so sagen. Ich muss die Figur tatsächlich mögen, weil ich sie sonst nicht spielen könnte, das wäre sonst total schizoid. Ich spiele Stromberg selbst in seinen extremen Momenten nicht mit Sträuben und auch nicht mit einem Augenzwinkern. Ich muss ihn mit der richtigen Haltung spielen, damit mir die Zuschauer die Rolle abnehmen. Ich will den Charakter ja nicht vorführen.

Sie haben in Wuppertal Bankkaufmann gelernt und kennen den Büroalltag deshalb von früher. Aber so schlimme Typen wie Stromberg haben Sie doch sicher nicht kennen gelernt?

Herbst: Ich habe in den 80er Jahren in der Tat eine Lehre bei einer großen deutschen Bank gemacht, aber den Zahn, dass es da keine so überspitzten Figuren gab, muss ich Ihnen leider ziehen. Die waren teilweise sogar noch schlimmer. Es ist unglaublich, wie Menschen, die jahrzehntelang auf demselben Stuhl sitzen, charakterlich deformiert werden. Das habe ich mir damals mit Argusaugen angeschaut, nicht wissend, dass ich alles mal aus meinem Hinterkopf hervorkramen müsste, um es in eine Figur einfließen zu lassen. Meine Lehrzeit habe ich zwar mehr als Leerzeit aufgefasst, aber im Rückblick weiß ich, wofür es gut war.

Hat sich schon jemand bei Ihnen beschwert, der sich in Stromberg wiedererkannt hat?

Herbst: Beschwert hat sich noch keiner. Einem der alten Bankkollegen bin ich aber neulich zufällig im Zug begegnet, der hat mich gleich auf Stromberg angesprochen und genau die Kollegen wiedererkannt, die ich habe einfließen lassen.

Ist die vierte die letzte Staffel?

Herbst: Wir wollen erst mal schauen, wie die Fans die vierte Staffel aufnehmen, das ist eine wichtige Grundlage für die nächsten Schritte. Ich persönlich würde mir eher wünschen, dass wir nächstes Jahr einen Film machen und Stromberg ins Kino bringen. Es gibt dazu aber noch nichts Spruchreifes.

Sind Sie seit Ihrer Rolle als Stromberg auf widerliche Typen abonniert? Sogar in Bully Herbigs "Wickie"-Komödie spielen Sie ja einen Bösewicht.

Herbst: Mir ist ein Arschloch, das gut erzählt und geschrieben ist, allemal lieber als eine positive Figur, der ich kein Wort glaube und die von irgendeinem Soap-Regisseur in Szene gesetzt wird. Aber es ist auch nicht so, dass ich gezielt nach weiteren miesen Typen suche. Ich bin in aller Bescheidenheit der Meinung, dass ich ein Schauspieler bin und nicht der Drecksack vom Dienst, und dass ich noch genug Facetten habe, um auch andere Charakterzüge darzustellen.

Stromberg ist Versicherungskaufmann. Hat die Branche schon bei Ihnen angeklopft, um ihn als Werbefigur auftreten zu lassen?

Herbst: Ich bekomme viele Zuschriften aus der Branche, in denen es heißt, die Realität sei noch viel schlimmer als in der Serie. Aber als Werbeträger trauen die sich nicht an die Figur, so weit geht die Selbstironie offenbar nicht. Es klingt zwar seltsam, aber niemand scheut das Risiko so sehr wie eine Versicherung.